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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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Wirbel zieht.
    Am anderen Ufer öffnet sich der Wald; sein Dickicht fängt drohend und in wirren Linien das Leben ein. Die Wurzeln breiten ihr verschlungenes Muster von Fäden und Fangarmen aus, und die Zweige verflechten sich zu einem Netz, an dessen Säumen ein Schwarm wechselnder Gesichter sich bewegt. Über dem Haupte schneiden sich die Gitter der sinnlos zeugenden Kraft, die mit ihren Gestalten zugleich Feindschaft und Untergang gebiert, und der Fuß wirbelt den faden Dunst des Moders auf, in dem sich das Leben mit dem Tode trübe durchdringt.
    Doch da bricht die Lichtung auf, und dein Schein fällt wie der Bannstrahl des Gesetzes in die Finsternis. Die Stämme der Buchen glänzen wie Silber und die Eichen wie die dunkle Bronze, aus der die alten Schwerter geschmiedet sind. Ihre Kronen treten in mächtiger Gliederung hervor. Jeder kleinste Zweig und die letzte Ranke der Brombeere sind durch dein Licht berührt, gedeutet, aufgeschlossen, indem sie eingeschlossen sind – von einem großen Augenblick getroffen, vor dem alles bedeutend wird und der den Zufall auf seinen geheimeren Pfaden überrascht. Sie sind in eine Gleichung einbezogen, deren unbekannte Zeichen mit leuchtender Tinte geschrieben sind.
    Wie selbst in der verworrensten Landschaft die einfachen Linien der Heimat verborgen sind! Beglückendes Gleichnis, in das ein tieferes Gleichnis eingebettet ist.
    6
    Was läßt uns bestehen, wenn nicht der geheimnisvolle Lichtstrahl, der zuweilen die innere Wildnis durchzückt? Und der Mensch will sprechen, wie unvollkommen es auch immer sei, von dem, was mehr als menschlich an ihm ist.
    Die Versuche der Wissenschaft, mit fremden Gestirnen in Verbindung zu treten, sind ein bedeutungsvoller Zug dieser Zeit. Nicht nur an dem Bestreben selbst, sondern auch an seinen technischen Methoden entzückt eine seltsame Mischung von Nüchternheit und Phantasie. Ist es nicht ein erstaunlicher Vorschlag, über eine Fläche der Sahara mit Leuchtfeuern das rechtwinklige Dreieck des Pythagoras und seine drei Quadrate zu ziehen? Was schiert es denn uns, ob irgendwo im Universum ein Mathematiker lebt! Aber hier ist ein Zug lebendig, der an die Sprache der Pyramiden gemahnt, ein Anklang an den heiligen Ursprung der Kunst, an das feierliche Wissen der Kreatur um ihren verborgenen Sinn – mit allen Voraussetzungen des abstrakten Denkens in Einklang gebracht und von der modernen Technik maskiert.
    Ob unsere Funksignale, die wir in die bodenlose Tiefe eisiger Räume schleudern, auch irgendwo empfangen werden? diese Übersetzung von Sprachen, die schon durch irdische Gebirge und Ströme ihre Grenzen finden, in ein elektrisches Pochen, das an den Rändern des Unendlichen um Einlaß wirbt? Und in welche Sprache wird diese Übersetzung übersetzt?
    Wunderliche Tibetaner, deren eintöniges Gebet von den Felsklöstern der Observatorien erschallt! Wer möchte über die Gebetsmühlen lachen, der unsere Landschaften mit ihren Myriaden von kreisenden Rädern kennt – diese wütende Unruhe, die den Stundenzeiger der Uhr und die rasende Kurbelwelle des Flugzeugs bewegt? Süßes und gefährliches Opium der Geschwindigkeit!
    Aber ist es nicht so, daß im innersten Zentrum des Rades die Ruhe verborgen liegt? Die Ruhe ist die Ursprache der Geschwindigkeit. Durch welche Übersetzungen man auch die Geschwindigkeit steigern möge – jede dieser Steigerungen kann nur eine Übersetzung der Ursprache sein. Aber wie soll der Mensch seine eigene Sprache verstehen?
    Siehe, du blickst auf unsere Städte herab. Du hast vor ihnen mancherlei Arten von Städten gesehn und wirst nach ihnen wiederum andere sehen. Jedes einzelne Haus ist wohl eingerichtet und zu seinem besonderen Zweck erbaut. Es gibt enge und winklige Straßen, die der Zufall im Laufe der Zeiten errichtet zu haben scheint, so wie die Felder eines Bauernlandes durch längst vergessene Erbteilungen zugeschnitten sind. Andere sind gerade und breit, und ihre Fluchten sind von Fürsten und großen Baumeistern bestimmt. Die Versteinerungen der Zeiten und Rassen schieben sich mannigfaltig ineinander ein. Die Geologie der menschlichen Seele ist eine besondere Wissenschaft. Zwischen den Kirchen und staatlichen Gebäuden, Villen und Mietskasernen, Bazaren und Vergnügungspalästen, Bahnhöfen und Industrievierteln spannt das Leben seine Kreisläufe aus; der Verkehr ist bedeutend, die Einsamkeit außerordentlich.
    Aus einer so großen Höhe jedoch gewinnen diese riesigen Speicher organischer und mechanischer

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