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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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Völker bringen, was sie an Raum besitzen, als Mitgift ein. Es wird sich zeigen, daß man auf solchem Grunde besser, reicher und vor allem sicherer leben kann.
    Europa muß aus den Gliedern geschaffen werden, dann stellen sich das neue Leben, der starke Atem, der weitere Kreislauf ein. Der Mensch steht hier vor einem prometheischen Werk. Doch fehlt es an Vorgängen und Vorbildern nicht. Hierher gehört die Bildung der Einheitsstaaten durch Bismarck und Cavour, wie früher schon durch Cromwell und Richelieu. Wie damals aus Dynastien und Splittern alter Reiche die Nationen geboren wurden, so müssen sie heute zusammenschmelzen zum Imperium. An Mustern und Modellen ist kein Mangel, die Welt kennt Staaten, in denen sich die verschiedensten Völker, Rassen und Sprachen vereinigen. Zu ihnen gehören die Schweiz, die Vereinigten Staaten von Amerika, die Sowjetunion und das englische Imperium. In diesen Gebilden hat sich eine Summe politischer Erfahrungen kristallisiert. Auf sie läßt sich zurückgreifen.
    Es handelt sich bei der Gründung Europas darum, einem Raume, den die geschichtliche Entwicklung gliederte, geopolitische Einheit zu verleihen. Die großen Schwierigkeiten liegen im Alter der Überlieferung, im eigenen Leben, das sich in den Völkern bildete. In diesem Sinne sah schon Goethe, daß Amerika es besser hatte als unser Kontinent. Dennoch ist jetzt die Zeit gekommen, in der die Formen flüssig zu neuem Guß geworden sind. Es hat jetzt Sinn, die Aufgabe zu stellen; unsere Zukunft hängt davon ab.



SIZILISCHER BRIEF AN DEN MANN IM MOND, 1930
    1
    Ich grüße dich, der du ein Zauberer und ein Freund der Zauberer bist! Freund der Einsamen. Freund der Helden. Freund der Liebenden. Freund der Guten und Bösen. Mitwisser nächtlicher Geheimnisse. Sag an: wo es einen Mitwisser gibt – gibt es da nicht bereits etwas mehr, als gewußt werden kann?
    Ich entsinne mich noch recht wohl der Stunden, in denen dein Gesicht groß und schrecklich im Fenster erschien. Dein Licht fiel in den Raum wie jenes Geisterschwert, vor dem, wenn es gezückt wird, jede Bewegung erstarrt. Wenn du aufgehst über den weiten Gefilden aus Stein, siehst du uns schlummern, dicht an dicht, mit bleichen Gesichtern, wie die weißen Puppen, die unzählig in den Winkeln und Gängen der Ameisenstädte ruhn, während der Nachtwind durch die großen Tannenwälder schweift. Leben wir für dich nicht im Abgrunde des Meeres, Wesen der Tiefsee – und versunkener als sie?
    Versunken schien mir auch mein kleines Zimmer, in dem ich mich im Bette aufgerichtet hatte, eingetaucht in eine Verlassenheit, die zu tief ist, als daß sie von Menschen durchbrochen werden könnte. Lautlos und regungslos standen die Dinge im fremden Licht wie Meereswesen, die man unter einem Vorhang von Algen auf dem Grund erblickt. Schienen sie nicht rätselhaft verändert – und ist Veränderung nicht die Maske, hinter der sich das Geheimnis des Lebens und des Todes verbirgt? Wer kennt diese Augenblicke einer unbestimmten Erwartung nicht, in denen man horcht, ob die Stimme des Unbekannten, das man nahe fühlt, nicht gleich ertönen wird, und in denen jede Form das Verborgene nur mit Mühe noch in sich verschließt? Ein Knistern im Gebälk, das Schwingen eines Glases, an dem eine unsichtbare Hand vorbeizustreichen scheint – wie doch der Raum von der Anstrengung eines Wesens geladen ist, das nach dem Sinne begehrt, der seine Signale aufzufangen vermag!
    Die Sprache hat uns die Dinge zu sehr verachten gelehrt. Die großen Worte sind wie das Gradnetz, das sich über eine Landkarte spannt. Aber ist eine einzige Faust voll Erde nicht mehr als eine ganze Welt, die auf der Landkarte steht? Damals hatte das Raunen der namenlosen Gestalten noch einen seltsameren, zwingenderen Klang. An verfallene Zäune und Kreuzwegpfähle sind Zeichen gekritzelt, an denen der Bürger achtlos vorübergeht. Aber der Landstreicher hat Augen für sie, er ist ihrer kundig, sie sind ihm Schlüssel, in denen sich das Wesen einer ganzen Landschaft offenbart, ihre Gefahren und ihre Sicherheit.
    Nun, auch das Kind ist so ein Landstreicher, der noch nicht lange das dunkle Tor durchwanderte, das uns von unserer zeitlosen Heimat trennt. Daher ist es auch noch fähig, auf den Dingen die Sprache der Runen zu lesen, die Kunde geben von einer tieferen Brüderschaft des Seins.
    2
    Damals fürchtete ich dich als ein Wesen von bösartiger magnetischer Kraft, und ich hatte die Vorstellung, daß man dich in deinem vollen Glanze

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