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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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keinen Umständen wieder zu ersetzen war. Ich verließ den Laden mit einem Triumphgefühl, um mich gleich darauf zu einem Buchhändler zu begeben und ein dickes Buch »Die Geheimnisse des dunklen Erdteils« zu erwerben, das ich für unentbehrlich hielt. Es wurde in einem großen Rucksack verstaut, der dann an die Reihe kam.
    Nach diesen Einkäufen fühlte ich, halb mit Befriedigung, daß mir der Boden unter den Füßen zu brennen begann. Ich ging in meine Wohnung zurück, um Schuhe und Wäsche einzupacken, und was mir sonst noch für eine lange Reise nötig schien.
    Als ich endlich gerüstet auf der Schwelle stand, kam es mir vor, als ob mein kleines Zimmer noch nie so gemütlich gewesen wäre wie gerade heut. Zum ersten Male seit dem Winter brannte Feuer im Ofen, und das Bett war einladend aufgeschlagen für die Nacht. Selbst in den Schulbüchern auf dem wurmstichigen Brett über der Kommode, in der halbzerfetzten Ploetzschen Grammatik für den Gebrauch der Unterprima und in dem dicken lateinischen Handwörterbuch von Georges offenbarte sich eine heimische Anziehungskraft, ein Bann, der gar nicht so leicht zu brechen war. Es schien mir mit einem Male sinnlos und unerklärlich, dies alles im Stich zu lassen, es gegen eine ganz ungewisse Zukunft vertauschen zu sollen, in welcher sicher die gute Frau Krüger mir morgens nicht das Bett machen und abends die brennende Lampe in das Zimmer bringen würde. Es wurde mir plötzlich deutlich, daß die Fremde auch eine eisige Seite besitzt. Aber das war eine Einsicht, die bereits von außen kam. Denn schon hatte ich diesen traulichen Kreis verlassen, und ich fühlte wohl, daß jetzt die Zeit der Überlegungen vorüber, daß ich selbständig war und damit in einem mir bisher fremden Sinne zu handeln hatte.
    Es war ein ungemütliches Wetter, als ich meine Wanderung begann, mehr ein Wetter, um im trockenen Zimmer mit angezogenen Knien auf dem Sofa zu liegen und zu lesen, wie ich es gewohnt war, mit einer Kanne voll Tee auf dem Stuhl daneben und einer kurzen Pfeife in Brand. Wind und Regen warfen mit vollen Händen zackiges Platanenlaub auf die Steinplatten der zum Bahnhof führenden Allee. Die Gaslaternen spiegelten sich in der feuchten Schwärze des Weges, der von den vergilbten Blättern wie ein Mosaikband gemustert war. Ich hatte meinen weiten Regenmantel über den Rucksack gehängt und meine rote Schülermütze, zum äußeren Zeichen meiner neuen Freiheit, mit einem Hut vertauscht. Am Schalter löste ich eine Karte nach der nächsten Großstadt, die der Provinz ihren Namen gab.
    Ich hatte Glück, denn der Zug stand bereits unter Dampf. Ich war auf das Geratewohl gegangen, weil ich unfähig war, die rätselhaften Zeichen des Kursbuches und der in den Wartesälen ausgehängten Tafeln zu entziffern. Alles, was ich wußte, war, daß Köln, Trier oder Metz in der Nähe der westlichen Grenze lagen, denn meine geographischen Kenntnisse waren schwach, und für mich begannen gar bald die unbekannten und fabelhaften Länder dieser Welt, wie sie auf den Landkarten der Alten verzeichnet sind.
    Nur den Namen Verdun hatte ich mir gemerkt, denn ich hatte in der Zeitung gelesen, daß dort der Bürgermeister einer deutschen Kleinstadt in die Fremdenlegion eingetreten war. Sein Fall hatte vor kurzem bedeutendes Aufsehen erregt, und das Ausschneiden der Notizen, die sich mit ihm beschäftigten, war vielleicht die einzige Maßnahme gewesen, die einen sachlichen Zusammenhang mit meinem Plane besaß. Was ich meine Vorbereitung nannte, bezog sich durchaus auf das andere, auf jene rätselhafte, schmerzliche und doch innige Verwirrung, die sich plötzlich wie ein Wirbel im stillen Wasser meiner bemächtigt hatte, und auf ihre Deutung als einen Ruf, der aus der Ferne kam.
    Ich setzte mich in einen Wagen vierter Klasse, der überfüllt war mit Bauern aus dem Wesertal, kleinen Händlern und Marktfrauen, die hinter ihren Tragkörben kauerten. Als der Zug anfuhr, spürte ich, daß ich mich jetzt in einer neuen Lage befand wie ein Späher in Feindesland, der niemanden mehr hat, mit dem er sich unterhalten kann. Ich war zufrieden mit mir, denn ich hatte kaum geglaubt, daß ich mich bis an diesen Punkt bringen würde. Nur hatte ich ein wenig Angst, daß der Wunsch umzukehren in mir erwachen würde, und ich nahm mir das Versprechen ab, ihm unter allen Umständen zu widerstehen. Das Rollen und Schlagen der Räder machte mir Mut, und ich murmelte in ihrem Takte kurze Sätze, etwa »Umkehren ist ausgeschlossen!«

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