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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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eigene Furcht. Mein stärkster Gegner war in diesem Falle ich selbst, das heißt, ein bequemer Geselle, der es liebte, die Zeit hinter den Büchern zu verträumen und seine Helden in gefährlichen Landschaften sich bewegen zu sehen, anstatt bei Nacht und Nebel aufzubrechen, um es ihnen gleichzutun.
    Da war aber noch ein anderer, wilderer Geist, der mir zuflüsterte, daß die Gefahr kein Schauspiel sei, an dem man sich vom sicheren Sessel aus ergötzt, sondern daß eine ganz andere Erfüllung darin liegen müsse, in ihre Wirklichkeit sich vorzuwagen, und dieser andere versuchte, mich auf die Bühne hinauszuziehen.
    Mir war bei diesen geheimen Unterhaltungen, bei diesen immer erbitterteren Ansprüchen, die an mich gestellt wurden, oft himmelangst. Auch fehlte es mir an praktischer Begabung; die Aussicht auf all die kleinen Mittel und Schliche, die aufgewendet werden mußten, um fortzukommen, bedrückte mich. Ich wünschte mir, wie alle diese Träumer, Aladins Wunderlampe oder den Ring Dschudars, des Fischers, mit dessen Hilfe man dienstbare Genien beschwören kann.
    Auf der anderen Seite drang die Langeweile jeden Tag stärker wie tödliches Gift in mich ein. Es schien mir ganz unmöglich, etwas »werden« zu können; schon das Wort war mir zuwider, und von den tausend Anstellungen, die die Zivilisation zu vergeben hat, schien mir nicht eine für mich gemacht. Eher hätten mich noch die ganz einfachen Tätigkeiten gelockt, wie die des Fischers, der Jägers oder des Holzfällers, allein seitdem ich gehört hatte, daß die Förster heute eine Art von Rechnungsbeamten geworden sind, die mehr mit der Feder als mit der Flinte arbeiten, und daß man die Fische in Motorbooten fängt, war mir auch das zur Last. Mir fehlte hier selbst der mindeste Ehrgeiz, und jenen Gesprächen, wie sie die Eltern mit ihren heranwachsenden Söhnen über die Aussichten der verschiedenen Berufe zu führen pflegen, wohnte ich bei wie einer, der zu Zuchthaus verurteilt werden soll.
    Die Abneigung gegen alles Nützliche verdichtete sich von Tag zu Tag. Lesen und Träumen waren die Gegengifte – doch die Gebiete, in denen Taten möglich waren, schienen unerreichbar fern. Dort stellte ich mir eine verwegene männliche Gesellschaft vor, deren Symbol das Lagerfeuer, das Element der Flamme war. Um in sie aufgenommen zu werden, ja nur um einen einzigen Kerl kennenzulernen, vor dem man Respekt haben konnte, hätte ich gern alle Ehren dahingegeben, die man innerhalb und außerhalb der vier Fakultäten erringen kann.
    Ich vermutete mit Recht, daß man den natürlichen Söhnen des Lebens nur begegnen könne, indem man seinen legitimen Ordnungen den Rücken kehrt. Freilich waren meine Vorbilder nach den Maßen eines Sechzehnjährigen geformt, der den Unterschied zwischen Helden und Abenteurern noch nicht kennt und schlechte Bücher liest. Gesundheit aber besaß ich insofern, als ich das Außerordentliche jenseits der sozialen und moralischen Sphäre vermutete, die mich umschloß. Daher wollte ich auch nicht, wie es diesem Alter oft eigentümlich ist, Erfinder, Revolutionär, Soldat oder irgendein Wohltäter der Menschheit werden – mich zog vielmehr eine Zone an, in der der Kampf natürlicher Gewalten rein und zwecklos zum Ausdruck kam.
    Eine solche Zone hielt ich für wirklich; ich verlegte sie in die tropische Welt, deren bunter Gürtel die blauen Eiskappen der Pole umkreist.
    2
    Ich hatte mir ein Ultimatum gestellt, dessen Frist eine Woche nach Beginn der Schule endigte. Das Mittel, das ich mir ersonnen hatte, um mich auf eine entscheidende Weise aus dem Gleichgewicht zu bringen, war nicht übel; es bestand darin, daß ich das Schulgeld, mit dem versehen ich nach den Herbstferien in der kleinen Stadt wieder eingetroffen war, in den Dienst meiner großen Pläne zu stellen beabsichtigte.
    Obwohl eine solche Verwendung des Geldes mir unvergleichlich sinnvoller erschien als der Zweck, zu dem es eigentlich berechnet war, zögerte ich lange mit diesem ernsthaften Schritt. Ich fühlte wohl, daß ich mit ihm unwiderruflich den Kriegspfad betrat und daß die Verfügung über diese Summe nur statthaft war als eine bereits dem offenen Gegner auferlegte Kontribution. Im Kriege ist bekanntlich alles erlaubt.
    Erst kurz vor Ablauf der Frist, an einem feuchten und dunstigen Herbstnachmittag, trat ich mit Zittern und Bangen in einen Trödlerladen ein, um einen sechsschüssigen Revolver mit Munition zu erstehen. Er kostete zwölf Mark – das war eine Ausgabe, die unter

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