Ein Abenteurer und Gentleman (Historical My Lady) (German Edition)
sein, Sir. Aber das Leben der Dame darf nicht gefährdet werden. Vielleicht sollten Sie den Regimentsinhaber Novak davon in Kenntnis zu setzen und ihn warnen, dass er in der Schusslinie steht? Genau wie Sie übrigens, wenn der Dame etwas zustößt. Sie und Ihr neuer Freund Franz spielen ungeschickt, denn Sie gewähren mir Einblick in Ihre Karten. Meine werden Sie erst sehen, wenn ich sie aufdecke. Aber auf eins können Sie sich verlassen: Ich habe die besseren Karten! Ah, und noch etwas: Heute Nacht können Sie sich glücklich schätzen, denn ich bluffe nur sehr selten. Es war eine Ausnahme, und ich werde es nicht noch einmal tun.“
Justin machte auf dem Absatz kehrt und verließ mit großen Schritten den Empfangssaal; sämtliche Blicke folgten ihm, doch ein Augenpaar bohrte sich förmlich in seinen Rücken.
In seinem Stadthaus lag schon Reitkleidung für ihn bereit, und eine Viertelstunde später war er umgekleidet und saß im Sattel seines Pferdes. Vielleicht würde er London nie wiedersehen, und doch bekümmerte ihn das sehr wenig. Nachdem er sich so lange Jahre nach dieser Stadt, nach diesem Land gesehnt hatte, suchte er nun in seinem Herzen vergebens nach Liebe dafür. Noch vor zwei Tagen hätte er das nicht für möglich gehalten. Aber da hatte er noch nicht in zwei ängstliche goldbraune Augen geschaut, die ihn, nach Antworten und Trost suchend, anflehten. Ihm war ein Geschenk übereignet worden, und gleichzeitig eine Möglichkeit der Buße für viele Verbrechen, viele Irrtümer.
Justin Wilde mochte sich lange Jahre selbst getäuscht, mochte versagt haben, sich dem Verderben preisgegeben haben … sie würde er nicht enttäuschen.
6. KAPITEL
D as fröhliche Lachen war unwiderstehlich: Jung, ungeziert, voller Lebensfreude. Auch er hatte einmal so gelacht, ganz bestimmt. Vor langer Zeit. Vor Äonen, schien ihm.
Wieder hatte er beinahe zwei Tage im Sattel zugebracht, war Haken schlagend und immer in Deckung querfeldein geritten, bis er überzeugt war, dass ihn niemand verfolgte, niemand außer ihm seinen Zielort kannte. Denn das Letzte, was er wollte, war, die Höllenhunde, die ihm nachspürten, auch auf seine Freunde zu hetzen.
Justin Wilde hatte im Laufe seiner zweiunddreißig Lebensjahre eine Menge Dummheiten gemacht. Wenn er seine Freunde um eine Liste bäte, würde die Länge derselben ihn vermutlich selbst verwundern. Der Gipfel dieser Dummheiten aber war es gewiss gewesen, das Leben des Kronprinzen zu bedrohen. Das konnte er unmöglich zurücknehmen, selbst wenn er es gewollt hätte, was er nicht tat.
Denn nie zuvor hatte er sich so frei gefühlt, selbst mit dem Wissen, dass die geballte Macht des Königshauses darauf aus war, ihn zu finden, einzukerkern und zu exekutieren.
Als er vor den Ställen seines guten Freundes Rafe Daughtry aus dem Sattel glitt, war er müde, bedeckt von Schweiß und Straßenstaub und durchnässt vom letzten Regen. Zu schmutzig, um sich an Ashurst Halls Portal zu präsentieren, hatte er vorgehabt, durch die Küche einzutreten und von dort aus hinauf zu den für ihn vorgehaltenen Räumen zu schlüpfen, wo Wigglesworth seine Wunder wirken und ihm wieder zu einem menschlichen Aussehen verhelfen würde.
Das war sein Plan gewesen, ehe er das fröhliche Lachen hörte.
Alina. Die Frau, an die er, seit er sie auf dem Kai von Portsmouth erblickt hatte, Tag und Nacht dachte. Die Frau, von der er vergangene Nacht geträumt hatte, als er tief im Buschwerk verborgen am Straßenrand geschlafen hatte. Die Frau, die niemals die Seine werden konnte.
Verdammt. Offensichtlich neigte er zur Melodramatik! Das war ihm neu. Er sollte besser aufhören, wie ein liebeskranker Galan zu denken, und sich erinnern, wer er war. Und an die Gefahr, die ihm auf den Fersen folgte.
Einer seiner Bediensteten, die Alina hierher begleitet hatten, lungerte auf einem Ballen Heu herum und stocherte müßig mit einem Strohhalm in seinen Zähnen. Als er den Reiter kommen sah, blieb er ungerührt sitzen. Erst als er in dem abgerissenen Mann seinen sonst stets so tadellos gepflegten Herrn erkannte, beeilte er sich, ihm das Pferd abzunehmen. Als er den Blick Justins auf das offene Stalltor geheftet fand, erklärte er: „Comtesse Alina, Mylord. Klingt wie Musik, nicht? Aber ich habe immer ein Auge auf sie, Sir, ehrlich. Wir alle, Mylord. Nur is’ sie keine Stubenhockerin, läuft gern überall herum, sagt sie.“
„Was macht sie denn da?“
„Ich weiß nicht, Sir, ich soll auf sie aufpassen, nicht ihr
Weitere Kostenlose Bücher