Ein Abenteurer und Gentleman (Historical My Lady) (German Edition)
beobachtet, eines der süßesten Kinder, die sie je gesehen hatte. Raphael Fitzpatrick Daughtry hatte die sanften Augen seiner Mutter und das energische Kinn seines Vaters, und er schien immer fröhlich zu sein. Alina hatte sich schon bei dem Gedanken ertappt, wie wohl ein Kind von ihr und Justin Wilde aussehen würde, hatte den Gedanken jedoch rasch verbannt. Dazu müssten sie zuerst … nun, zuerst müssten sie … das tun.
Wenn sie daran dachte, wie Justin heute Nachmittag so dicht bei ihr gesessen und sie so seltsam angeschaut hatte, musste sie allerdings zugeben, dass sie auf einen weiteren Kuss von ihm gehofft hatte. Obwohl das, was er ihr erzählt hatte, nur schwer zu glauben war, hatten jene irritierenden, nicht mehr schlummernden Körperteile sich erneut geregt. Es war … sehr interessant. Am Abend beim Dinner hatte sie ihn beobachtet; wie seine Hände das Weinglas hielten und wie er damit seine Worte unterstrich, wenn er sprach. Verstohlen hatte sie seinen Mund gemustert, wahrgenommen, wie seine Lippen sich ganz leicht aufwärts bogen, wenn er belustigt war. Und ihr war der Atem gestockt, als er eine Locke seines dunklen Haares, die ihm in die Stirn gefallen war, mit einer lässigen Geste zurückgestrichen hatte. Sie hatte sich gefragt, was er wohl tun würde, wenn sie allein wären und sie ihm die Locken aus dem Gesicht streichen würde.
Als sie anschließend den Salon aufsuchten, gab Charlotte vor, die Stickerei an Alinas Kleid zu bewundern, dabei flüsterte sie ihr zu: „Sie scheinen ein wenig abgelenkt. Macht es Sie unruhig, dass Justin wieder hier ist? Er ist harmlos, zumindest behauptet das Rafes Schwester Lydia, die ihn viel besser kennt als ich. Wobei ich nach allem, was ich über ihn gehört habe, staune, dass er in eine arrangierte Ehe einwilligte, selbst wenn der Kronprinz persönlich es von ihm verlangt hat. Es sieht ihm überhaupt nicht ähnlich, besonders nach seiner ersten Ehe, die, wie ich von Rafe hörte, katastrophal endete.“
Unwillkürlich warf Alina einen raschen Blick zum Kamin, vor dem die beiden Herren in ein Gespräch vertieft standen. „Seine erste Ehe, sagten Sie?“
Charlotte nahm ihre neue Freundin bei der Hand, führte sie zu einem hübschen Sofa mit Blumenmuster und bat sie, sich zu setzen. Alina gehorchte, obwohl sie vor Überraschung so starr war, dass sie kaum ihre Knie beugen konnte.
„Ach, Alina“, fuhr Charlotte bedauernd fort, „es tut mir leid; ich hätte mir denken müssen, dass Sie es nicht wissen. Aber es ist auch schon so lange her, beinahe zehn Jahre. Bleiben Sie nur sitzen, ich lasse Ihnen ein Glas Wein bringen. Sie sind ganz bleich.“
Alina nickte dankbar. Während sie Justin nicht aus den Augen ließ, sagte sie sich, dass eine Ehe, die längst Geschichte war, sie nicht beunruhigen müsse. So wie es keine Rolle spielte, dass Baron Justin Wilde eine so faszinierende Person war und so ausgesprochen gut aussehend, jung und, was mögliche Ehegatten ging, durchaus ein wundervoller Fang. Natürlich hatte sie keineswegs nach einem Gatten Ausschau gehalten. Aber seit sie ihm vorgestellt worden war, hatte sie ihn als solchen nicht unwillig akzeptiert … bis zu dem Augenblick, da er verkündet hatte, dass es keine Heirat geben werde.
Konnte er das wirklich frei entscheiden, wenn an Kaiser Franz’ Hof die Eheschließung schon offiziell verkündet worden war? Zwei Tage bevor sie überhaupt ihre Reise nach England angetreten hatte, war schon das Aufgebot verlesen worden.
Vielleicht sollte sie ihm das mitteilen, ihm sagen, dass sie zumindest in ihrer Heimat schon so gut wie verheiratet waren? Oder würde sie das ziemlich kläglich aussehen lassen?
Er hatte sie durchaus in eine unangenehme Lage gebracht, indem er ihr – und wenn man ihm glauben konnte, dem Prinzregenten – erklärt hatte, sie würden nicht heiraten. Als Verlobte hatte sie ihre Heimat verlassen, nur um in England von ihrem Verlobten zurückgewiesen zu werden.
Es war alles so demütigend.
Aus irgendeinem Grund mochte sie sich nicht näher damit beschäftigen, sonst käme sie sich noch dümmer vor, als sie sich ohnehin schon fühlte. Diese unvorhergesehene Entwicklung beunruhigte sie stärker als der Gedanke, dass der Regimentsinhaber Novak ihren Tod wünschte.
Und nun erfuhr sie auch noch, dass Justin schon einmal verheiratet gewesen war. Was kam als Nächstes? Vielleicht hatte er eine ganze Schar Kinder irgendwo versteckt?
„Bitte, meine Liebe.“ Charlotte reichte ihr ein gefülltes
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