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Ein allzu braves Maedchen

Ein allzu braves Maedchen

Titel: Ein allzu braves Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sawatzki
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karierte Hausschuhe. Der letzte Schrei, schießt es mir durch den Kopf, und ich bin mir sicher, dass er eine Feinrippunterhose anhat. Oder doch einen String. Bei solchen Typen weiß man nie.
    Ich kenne mich inzwischen ganz gut mit Männern aus, ich kann die meisten ziemlich schnell einordnen. Der hier zählt garantiert zu den perversen. Das hat man nach ein paar Jahren einfach im Blick. Keine Ahnung, warum. Das riecht man förmlich. Dumm nur, dass ich mich nicht einfach umdrehen und abhauen kann. Das spricht sich rum, vor allem wenn man empfohlen wurde. Also umrunde ich die Hunde, die mitten im Weg stehen, und gehe auf den Alten zu. Wir geben uns die Hand, und mir entgeht nicht der prüfende Blick, mit dem er meinen Körper abtastet. Seine Augen hinter den dicken Brillengläsern sind sehr hell und kalt. Seine Lippen hält er zusammengepresst, als müsse er sich darauf konzentrieren, nichts von sich preiszugeben. Er nimmt mir den Mantel ab und hängt ihn an den Garderobenständer. Der Eingangsbereich ist ziemlich groß, eine geschwungene Treppe führt in das obere Stockwerk. Die antiken Möbel wirken nachgemacht, und auf den Kommoden und Tischchen stehen hässlicher Nippes und Plastikblumen. Achtzigerjahre-Lampen werfen spärliches Licht in die Eingangshalle, aber dass der Perserteppich zerschlissen ist, sehe ich trotzdem. All das bemerke ich in einem kurzen Augenblick, und ich fühle mich nicht wohl. Von außen sah das Haus so einladend aus, aber drinnen herrscht eine merkwürdige Atmosphäre. Die Luft riecht abgestanden, und ich frage mich, ob es nasses Hundefell oder alter Teppich ist. Blöd, oder?«
    Sie blickt Dr. Minkowa an und sehnt sich nach Bestätigung.
    »Das intensive Erleben ist in solchen Momenten ganz normal. Was taten Sie dann?«
    »Ich hatte mir mein Lieblingskleid angezogen. Grüne Pailletten, ziemlich kurz mit tiefem Dekolleté. Bei jeder Bewegung schillert es in den prächtigsten Farben, und ich fühle mich richtig wertvoll, wenn ich es trage. Dazu habe ich enge schwarze Lederstiefel. Dass die nicht hundertprozentig zu dem Kleid passen, macht nichts. Manche Freier stehen auf Stiefelsex. Da will ich nicht unvorbereitet sein.
    Ich stehe also schillernd vor dem Alten und lasse mich angaffen. Endlich fragt er: ›Willst du was trinken?‹ Schon an seinem Ton merke ich, wie er mich verachtet. Es gibt zwei Sorten von Freiern, diejenigen, die einen auf Händen tragen und dankbar dafür sind, wenn man ihnen Gutes tut. Und diejenigen, die einen dafür hassen, dass sie es mit einer Hure geil finden. Die, anstatt sich einzugestehen, dass sie sich insgeheim für ihre Begierden schämen, die Mädchen fertigmachen und versuchen, sie mit den erniedrigendsten, perversesten Szenarien zu bestrafen.
    Dieser Typ jedenfalls ist mir höchst unangenehm. Alarmstufe Rot. Ich antworte brav, ich hätte ganz gern ein Glas Champagner. Das hat eigentlich jeder im Haus, den ich besuche. Er hebt kurz die Augenbrauen und flötet: ›Wie fein! Ach so fein!‹ Dann wendet er sich ab und schlurft in die Küche. Schlaganfall, denke ich, zieht ein Bein nach. Geschieht ihm recht. Ich höre eine Kühlschranktür, dann kommt er mit einem Wasserglas und einer Flasche Billigprosecco zurück und deutet mit dem Kopf auf die Treppe. Ich gehorche, steige vor ihm die Stufen hoch und wackle extra mit dem Arsch. Das ist so eine Art Machtspiel. Das mach ich besonders gern, wenn mir einer nicht gefällt oder wenn ich Angst habe. Den Typen irgendwie in den Griff kriegen, beherrschen, damit er die Gewalt über mich verliert. Er tappt hinter mir her. Bei jedem Schritt schlägt das Glas an die Flasche, denn da er die Krücke braucht, hat er nur eine Hand frei. Oben angekommen, stehe ich in einem breiten Korridor, von dem ein paar Türen abgehen. Er deutet auf eine, ich öffne sie brav und trete ein. Es ist ein Badezimmer. Siebzigerjahre, weißer Marmor, goldene Armaturen. Hässlich. Er schiebt sich an mir vorbei, öffnet ein Schränkchen und zieht ein Handtuch und einen Waschlappen hervor. Beides drückt er mir in die Hand. ›Wasch dich!‹ Dann humpelt er raus und schließt die Tür hinter sich.
    Ich stehe vor dem Spiegel und blicke mir ins Gesicht. Ich versuche, eine Verbindung zu mir herzustellen, damit ich mich nicht so einsam fühle. Ich hebe den Arm und schnuppere in meine Ellenbeuge. Dahin sprühe ich nämlich mein Lieblingsparfum.
    Normalerwiese beruhigt es mich, meinen Duft zu riechen. Das gibt mir Kraft. So wie ich früher, wenn meine

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