Ein allzu schönes Mädchen
war. Man hatte
ihr in der Nähe von Florenz das Auto aufgebrochen und alles gestohlen. So war sie nicht, wie geplant, drei Monate, sondern
nur anderthalb Wochen geblieben.
«Das Zimmer ist zu eng für zwei», sagte Tereza. «Ich müsste mir rasch etwas Neues suchen, aber die Mieten sind sehr teuer.
Ich hatte gehofft, mir in Frankfurt ein wenig Geld zu verdienen, um im Herbst für drei Wochen nach Madrid fahren zu können.»
Marthaler überlegte. Er zögerte, doch dann fasste er einen Entschluss.
«Du könntest bei mir wohnen», sagte er.
Und weil er fürchtete, dass sein Angebot ein wenig verwegen klingen könnte, fügte er gleich hinzu: «Meine Wohnung ist groß
genug. Du hättest ein eigenes Zimmer. Und Geld brauchst du nicht dafür zu bezahlen. Ich würde dich nicht stören. Ich bin nur
selten zu Hause.»
Tereza schaute ihn einen Moment lang sprachlos an. Es sah |316| aus, als wolle sie ihn einer schnellen, aber eingehenden Prüfung unterziehen. Dann breitete sich ein Lächeln über ihrem Gesicht
aus.
«Ist das dein Ernst? Das würdest du machen?»
Sie stand auf, kam um den Tisch herum und küsste ihn auf die Wange. Dann setzte sie sich wieder auf ihren Platz. Er hatte
die Prüfung bestanden. «Und du würdest wirklich nichts dafür verlangen?»
Marthaler hob die Finger zum Schwur.
«Nichts», sagt er.
«Wann kann ich zu dir kommen?»
«Wenn du willst, sofort.» Terezas offenkundige Freude beschämte Marthaler fast.
«Jetzt noch? Heute Abend?»
«Warum nicht? Allerdings habe ich kein Auto», sagte er. «Wir müssten einen Wagen mieten, um deine Sachen zu holen.»
«Ich habe nicht viel. Nur einen Koffer und eine Reisetasche. Und einen Karton mit Büchern.»
«Dann genügt auch ein Taxi.»
Ihre Augen leuchteten. «Wollen wir? Jetzt? Sofort?»
Marthaler lachte. Er wunderte sich über sich selbst. Obwohl er oft so eigenbrötlerisch war, lud er nun eine fremde Frau ein,
bei ihm zu wohnen. Er beruhigte sich damit, dass Tereza, indem sie sein Angebot annahm, noch größeren Mut bewies.
«Von mir aus jetzt und sofort», sagte er. «Lass mich nur noch fertig essen.»
Sie fuhren ins Ostend. Nicht weit vom Zoo bewohnte Terezas Freundin ein kleines Zimmer in einer Wohngemeinschaft.
«Wenn die Stadt ruhig ist, hört man hier manchmal die Affen. Und irgendwelche Vögel, die laut kreischen», sagte Tereza.
|317| Ihre Freundin war offensichtlich erleichtert über die unerwartete Lösung des Problems. Während Marthaler im Hausflur wartete,
half sie Tereza beim Packen. Als er den Bücherkarton nach unten gebracht hatte und den Koffer holen wollte, standen die beiden
im Treppenhaus und umarmten einander.
«Behandeln Sie sie anständig», sagte die Freundin. «Sie ist ein gutes Mädchen.»
«Ja, den Eindruck habe ich auch. Ich hoffe nur, dass sie mich ebenfalls anständig behandelt», sagte Marthaler und wunderte
sich noch im selben Moment über seine eigene Forschheit.
Anderthalb Stunden später war der Umzug bereits erledigt. Marthaler war froh, dass er wenigstens seine schmutzige Wäsche am
Morgen weggeräumt und in die Reinigung gebracht hatte. Tereza lief aufgeregt durch die Wohnung und inspizierte die Räume.
Dann ließ sie sich neben ihn auf das Sofa fallen. Er hatte zwei Gläser aus dem Schrank geholt und eine Flasche Wein geöffnet.
«Wird gemacht», sagte Tereza.
«Was?», fragte Marthaler.
«Ich werde dich anständig behandeln.»
Nun ahmte sie seine Geste nach und zeigte ihm ebenfalls die Schwurhand.
«Aber du musst mir versprechen, dass du sofort sagst, wenn du mich wieder loswerden willst.»
«In Ordnung, aber dann musst du mir versprechen, dich hier nicht wie eine Besucherin zu benehmen. Solange du hier wohnst,
gehört die Wohnung uns beiden. Einverstanden?»
Tereza nickte.
Als sie ihre Gläser ausgetrunken hatten, entstand zwischen beiden ein ratloses Schweigen. Offensichtlich wusste keiner von
ihnen, auf welche Weise dieser Abend zu Ende gebracht werden sollte.
|318| «Was hältst du davon, wenn wir jetzt schlafen gehen?», sagte Marthaler. «Wenn du magst, kannst du schon mal ins Bad gehen,
während ich noch rasch dein Bett beziehe.»
Tereza nickte. Dann tippte sie mit der Fingerkuppe auf seine Nasenspitze.
«Danke. Für alles.»
Bevor sie endgültig im Badezimmer verschwand, streckte sie noch einmal den Kopf heraus und sagte: «Ich finde es schön lustig
mit dir.»
Marthaler lag noch lange wach. Die Aufregungen des heutigen Abends
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