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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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dass du viel zu tun hast. Bestimmt nicht so viel wie wir Rentner, aber sicher auch
     nicht wenig.»
    Sie klang fröhlich. Sie erzählte ihm, dass sie gerade dabei waren, sich ausgehfertig zu machen. Sein Vater hatte sie mit Konzertkarten
     überrascht. Sie wollten ein Freiluftkonzert mit Dvořáks 9.   Sinfonie besuchen. «Später gehen wir noch eine Kleinigkeit essen und gönnen uns eine Flasche Wein. Schade, dass du nicht dabei
     sein kannst.»
    «Ja, schade», sagte Marthaler. Und er meinte es ernst. Es |313| hätte ihm Spaß gemacht, den heutigen Abend mit seinen Eltern zu verbringen.
    «Wann sehen wir uns mal wieder?», frage sie.
    «Wir haben gerade einen schwierigen Fall», antwortete Marthaler.
    «Ich weiß», sagte sie. «Wir haben darüber gelesen. Es war auch bei uns in den Zeitungen.»
    Marthaler fiel auf, mit welcher Selbstverständlichkeit sie ‹wir› und ‹uns› sagte. Im Laufe der Jahrzehnte waren seine Eltern
     zu einer so untrennbaren Einheit geworden, dass sie sich nur noch als Paar wahrnehmen konnten. In seiner eigenen Generation
     war das sehr selten geworden.
    «Ich melde mich», sagte er.
    «Mach das.»
    «Und grüß Papi. Ich wünsche euch einen schönen Abend.»
    «Den werden wir haben.»
    Dann legten sie auf.
    Marthaler zog sich aus und warf seine verschwitzte Kleidung in die Wäschetonne. Als er unter der Dusche stand, überlegte er,
     im «Lesecafé» anzurufen und zu fragen, ob Tereza da sei. Nein, dachte er. Ich habe Hunger. Ich werde mir ein Taxi nehmen und
     hinfahren. Ob sie da ist oder nicht. Ich muss etwas essen. Und ich will nicht schon wieder allein vor einer Tütensuppe an
     meinem Küchentisch hocken.
    Er zog sich an. Dann telefonierte er mit der Taxizentrale, ging nach unten und wartete vor dem Haus. Nach nicht einmal fünf
     Minuten war der Wagen da. Als sie die Diesterwegstraße erreicht hatten und er den Fahrer bezahlte, war es kurz nach halb sieben.
    Tereza habe gerade Dienstschluss gehabt, sagte ihre Kollegin, die noch die Abrechnung machte. Sie sei vor zwei Minuten gegangen.
     Sie müsse ihm fast in die Arme gelaufen sein.
    «Wissen Sie, wo sie hinwollte?», fragte er.
    |314| Die Kellnerin hob die Augenbrauen. Dann lächelte sie.
    «Nein», sagte sie. «Tut mir Leid. Keine Ahnung.»
    Marthaler stürmte hinaus. Aufs Geratewohl lief er einmal um den Schweizer Platz. Dann sah er sie. Sie stand vor der Buchhandlung
     und schaute sich die Auslagen an. Atemlos kam er bei ihr an.
    «Ach, der Kommissar.»
    Sie lächelte. Sie schien sich zu freuen, aber sie wirkte auch bedrückt.
    «Sind Sie wieder im Einsatz?»
    Marthaler war irritiert. Er merkte, dass sie ihm mit großer Reserve begegnete.
    «Wir haben uns schon einmal geduzt», sagte er.
    «Stimmt. Robert. Nicht wahr?»
    Er wusste nicht, was er sagen sollte. Fast bereute er, sie angesprochen zu haben. Ihr distanziertes Verhalten machte ihn verzagt.
     Dann fasste er sich ein Herz. «Hast du heute Abend schon etwas vor? Wollen wir essen gehen? Ich bin sehr hungrig.»
    Sie schien zu zögern.
    «Warum nicht?», sagte sie schließlich. «Aber nur, wenn du dein Telefon abstellst.»
    Obwohl er seine Kollegen angewiesen hatte, ihre Mobiltelefone am Wochenende eingeschaltet zu lassen, tat er, was sie von ihm
     verlangte.
    «Wo gehen wir hin?», fragte er.
    «Ich weiß nicht, es ist deine Stadt.»
    «Komm», sagte er. «Nicht weit von hier ist eine Apfelweinwirtschaft. Dort kann man im Freien sitzen.»
    Schweigend liefen sie die Textorstraße entlang. Durch eine Toreinfahrt betraten sie den Hof der «Germania». Alle Bänke waren
     besetzt, aber der Kellner forderte einfach ein paar Gäste auf, zusammenzurücken und den Neuankömmlingen Platz zu |315| machen. Überall wurde geredet, gelacht und getrunken. Tereza blieb schweigsam. Sie ließ sich von Marthaler die Gerichte erklären
     und bestellte schließlich einen Spuntekäs.
    «Solche Gaststätten haben wir in Prag auch. Nur, dass man bei uns Bier trinkt», sagte sie.
    Sie bemühte sich, unbefangen zu wirken, aber Marthaler spürte ihre Unruhe. Und wieder merkte er, wie ungeübt er darin war,
     ein einfaches belangloses Gespräch zu führen.
    «Hast du Sorgen?», fragte er.
    Sie nickte. «Ich bin keine lustige Gesellschaft heute Abend.»
    Marthaler musste über die Formulierung lächeln.
    «Das macht nichts», sagte er. «Sag mir einfach, was los ist, wenn du magst.»
    Dann erzählte sie, dass ihre Freundin, in deren Zimmer sie wohnte, überraschend aus dem Urlaub zurückgekommen

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