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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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lassen. Er bat Berger, ihm das Mikrophon zu überlassen. «Team 17.   Wo seid ihr?»
    «Einen Moment. Er kommt direkt in unsere Richtung.» Petersens Stimme wurde immer leiser. Jetzt flüsterte er nur noch in sein
     Funkgerät.
    «Wir haben uns rechts und links des Weges hinter Bäumen versteckt   … Kerstin steht zwanzig Meter hinter einer Wegbiegung   …Verdammt, was macht er jetzt?   … Er hält die Waffe in der Hand   … Er   … Ich glaube, er hat Kerstin entdeckt   … Was soll ich denn machen?»
    «Manfred, verflucht, was ist los?» Marthalers Frage blieb unbeantwortet. Der Funkkontakt war abgebrochen.
     
    Als sie ihn hinter sich bemerkte, war es bereits zu spät. Kerstin Henschel versuchte noch, ihre Waffe zu ziehen, aber Plöger |338| hatte ihren Unterarm gepackt und ihr auf den Rücken gedreht. Sie schrie auf vor Schmerz.
    Er zog ihr die Pistole aus dem Holster und stopfte sie in seinen Hosenbund. Die andere Waffe hielt er an ihre Schläfe.
    Dann sah sie Manfred Petersen kommen. Er hielt seine Pistole im Anschlag. Er lief geduckt. Sprang ein paar Meter und suchte
     wieder hinter den Bäumen Deckung.
    «Nein», rief sie, «Manfred, bleib weg!»
    «Pistole fallen lassen!», schrie Plöger. «Verschwinden Sie!»
    Petersen zögerte einen Moment. Dann hob er langsam beide Hände in die Höhe und ließ seine Waffe auf den Waldboden plumpsen.
    «Gehen Sie weg!», rief Plöger.
    Petersen blieb stehen. Dann ging er noch einmal einen Schritt auf die beiden zu.
    «Abhauen, habe ich gesagt.» Plögers Stimme überschlug sich fast. Er hob die Pistole und schoss in die Luft.
    Einen Moment lang war alles still. Dann hörte man in der Nähe Menschen rufen.
    Kerstin Henschel zitterte am ganzen Körper. Aber sie merkte, dass sie mehr Angst um Manfred Petersen hatte als um sich selbst.
     «Manfred, tu, was er dir sagt. Ich schaffe das schon. Du gefährdest uns beide.»
    Sie sah, wie Petersen nickte. Dann entfernte er sich langsam. Als er hinter der Wegbiegung verschwunden war, gab Plöger ihr
     einen Stoß.
    «Los jetzt», sagte er.
    Sie liefen kreuz und quer durch den Wald, brachen durchs Unterholz. Die Zweige schlugen ihnen ins Gesicht. Immer wieder gab
     ihr Plöger Anweisungen, ob sie nach rechts oder links laufen sollte.
    Er war dicht hinter ihr. Sie hörte ihn keuchen. Und sie roch ihn. Er dünstete einen nahezu unerträglichen Gestank aus.
    |339| Einmal stolperte sie über einen Ast und fiel zu Boden. Sie hatte sich die Wange aufgeschrammt. Plöger packte sie und zwang
     sie, aufzustehen und weiterzulaufen. Immer wieder kamen sie an Leuten vorbei, die erschreckt aufschrien und rasch Deckung
     suchten.
    Für einen Moment hatte sie die Orientierung verloren. Dann sah sie, dass sie im Kreis gelaufen waren. Sie näherten sich der
     Rückseite des Goetheturms. Man hörte bereits die Kinder, die mit lautem Jauchzen die lange Rutsche hinuntersausten. Sie hasteten
     an Gruppen von Spaziergängern vorbei. Plöger schob sie einfach vorwärts. Wenn es ihm nicht schnell genug ging, stieß er ihr
     den Lauf der Pistole in den Rücken.
    Sie liefen am hölzernen Zaun der Anlage entlang und umkreisten das gesamte Gelände. Plöger hielt sie jetzt am Arm gepackt.
     Dann waren sie am Fuß des Goetheturms angekommen. Fünfzehn, zwanzig Rentner standen direkt am Aufgang, hatten die Köpfe in
     den Nacken gelegt und hörten den Erläuterungen einer Reiseleiterin zu.
    Im selben Moment sah sie, wie Marthaler sich vom Wendelsweg aus näherte. Einen Moment lang schien Plöger zu zögern. Als wisse
     er nicht weiter. Plötzlich ließ er von ihr ab.
    «Weg da!», schrie er.
    Dann drängte er sich durch die Gruppe der alten Leute. Sie selbst hatte er einfach stehen lassen. Er stieg die ersten Stufen
     des Turmes empor, hielt kurz inne und drehte sich noch einmal um. Er hob die Pistole. Kerstin schaute ihn an. Sie hatte den
     Eindruck, als ob er etwas sagen wolle.
    Er hat Angst, dachte sie. Sein Gesicht ist wie zerrissen. So übermäßig groß ist seine Angst.
    Plöger schüttelte den Kopf, als wolle er einen lästigen Gedanken loswerden. Er schaute ihr direkt in die Augen. Mit einem
     Mal bewegte er die Lippen, als wolle er etwas sagen. Aber |340| aus seinem Mund kam kein Laut. Dann drehte er sich um und lief weiter die Treppen hinauf.
    Von unten hörte man, wie die Leute, an denen er vorüber kam, zu schreien begannen.
     
    Der Goetheturm war eine Frankfurter Sehenswürdigkeit, die in jedem Reiseführer verzeichnet war. Und überall

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