Ein allzu schönes Mädchen
und des
Kinderspielplatzes. Ich weiß, dass es immer wieder Neugierige gibt. Deshalb wiederhole ich meine Aufforderung: Verlassen Sie
das Gelände! Gehen Sie nach Hause! Dies ist ein Platzverweis. Wer in fünf Minuten noch hier angetroffen wird, muss damit rechnen,
wegen Behinderung der Polizeiarbeit belangt zu werden.»
Während die Leute sich zerstreuten, wartete Marthaler, ob noch weitere Besucher vom Turm kamen. Als er sich gerade abwenden
und einem der ankommenden Schutzpolizisten die |343| Aufsicht übergeben wollte, sah er ein altes Ehepaar die Treppe herabsteigen. Die Frau stützte ihren Mann, der nur mit Mühe
eine Stufe nach der anderen nehmen konnte.
Marthaler ging den beiden entgegen und stützte den Mann von der anderen Seite. «Wissen Sie, ob noch mehr Leute auf dem Turm
sind?»
Die Frau schüttelte den Kopf.
«Ich weiß nicht», sagte sie. «Auf dem Weg nach unten haben uns ja alle überholt. Keiner wollte uns helfen.»
Marthaler nickte.
«Gehen Sie in das Lokal und fragen Sie nach Herrn Liebmann», sagte er. «Man wird sich um Sie kümmern.»
Dann ging er auf den Parkplatz, wo sich die anderen Besucher des Turms versammelt hatten. Es waren fünfunddreißig bis vierzig
Leute. Marthaler bat um Aufmerksamkeit.
«Zuerst die wichtigste Frage», sagte er. «Wir müssen herausfinden, ob sich außer dem gesuchten Mann noch andere Personen auf
dem Turm befinden. Vermisst jemand noch einen Angehörigen oder Freund, der mit Ihnen gemeinsam dort oben war?»
Es setzte ein Gemurmel ein, aber niemand meldete sich.
«Also können wir das ausschließen. Das heißt aber nicht, dass niemand mehr dort oben ist. Es kann sein, dass noch ein einzelner
Besucher oder eine Gruppe von Personen auf dem Turm ist, die mit niemandem von Ihnen in Beziehung steht. Lässt sich herausfinden,
wer von Ihnen zuletzt den Turm verlassen hat?»
Wieder ratloses Gemurmel.
Marthaler sah ein, dass er die Frage falsch gestellt hatte.
«Also gut», sagte er. «Ich möchte Sie um Folgendes bitten: Schauen Sie sich hier in dieser Gruppe um. Ist Ihnen dort oben
jemand aufgefallen, den Sie hier vermissen?»
Ein halbwüchsiger Junge mit verkehrt herum aufgesetzter Baseballkappe grinste.
|344| «Ja», sagte er. «Der mit der Pistole fehlt noch.»
Irgendwer kicherte. Marthaler schluckte. Er war kurz davor, einen Wutanfall zu bekommen. Er zwang sich, ruhig zu bleiben.
«Ja», sagte er nur. «Der Mann mit der Pistole ist noch dort oben. Aber fehlt sonst noch jemand?»
«Wo sind denn die beiden Chinesinnen?» Die Frau, die die Frage gestellt hatte, war vielleicht fünfzig Jahre alt. Man merkte
ihr an, dass sie noch immer verängstigt war.
«Sie haben zwei Chinesinnen gesehen?»
«Ja, zwei junge Frauen.»
«Das waren Japanerinnen», sagte jemand anderes. «Keine Chinesinnen. Die hab ich auch gesehen.»
«Einigen wir uns auf Asiatinnen», sagte Marthaler. «Gibt es sonst noch jemanden, der diese Frauen bemerkt hat?»
Fünf Leute meldeten sich. Vier davon waren der Auffassung, dass die beiden bis zum Schluss auf dem Turm gewesen seien. Ein
älterer Herr hingegen meinte, er habe die beiden eben noch unten auf dem Platz gesehen.
«Aber warum sind sie dann nicht hier?», sagte Marthaler. «Ich habe doch alle aufgefordert, die auf dem Turm waren, hierher
zu kommen.»
«Vielleicht verstehen sie kein Deutsch», sagte der Mann. «Vielleicht sind sie schon gegangen.»
Marthaler nickte. «Sind Sie sicher, dass es dieselben beiden waren?»
«Na ja», sagte der Mann, «beschwören möchte ich es nicht. Sie wissen ja, wie das mit den asiatischen Gesichtern ist.»
«Gut», sagte Marthaler, der einsah, dass er keine eindeutigen Aussagen mehr bekommen würde. «Ich werde Ihnen zwei Kollegen
schicken, die Ihre Personalien aufnehmen. Es kann sein, dass wir noch weitere Fragen haben. Sollte Ihnen von selbst noch etwas
einfallen, melden Sie sich bitte umgehend.»
|345| Dann bat er die Leute, anschließend ebenfalls den Heimweg anzutreten.
«Ich möchte aber noch nicht nach Hause. Ich möchte noch einen Freund besuchen. Darf ich das?» Es war wieder der kleine Witzbold
mit der Baseballkappe. Marthaler sah ihn an.
«Weißt du was», sagte er, «am Ratsweg hat gerade ein Wanderzirkus seine Zelte aufgebaut. Dort solltest du hingehen. Vielleicht
suchen die noch einen Pausenclown.»
«Heeh, Sie Arsch. Wieso duzen Sie mich? Ich werde mich über Sie beschweren.» Dann zog er kichernd ab.
|346| Sechsunddreißig
Fünf
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