Ein allzu schönes Mädchen
bislang
gestellt.
Wenn Eissler jetzt einen Fehler machte und die Antwort an ihn delegierte, würde er lügen müssen. Oder er musste eingestehen,
dass sie ahnungslos waren. Aber der Polizeipräsident lachte.
«Das waren viele Fragen auf einmal», sagte er. «Ich versuche, der Reihe nach zu antworten. Nein, der Fall ist damit noch nicht
abgeschlossen. Selbst nachdem ein Schuldiger gefunden ist, haben die zuständigen Beamten alle Hände voll zu tun. Sie müssen
also nicht befürchten, dass hier jemand arbeitslos wird.»
Noch einmal gab es Gelächter. Die ersten Teams packten bereits ihre Sachen zusammen, um sich auf den Weg in die Redaktionen
zu machen. Eissler fuhr fort: «Die Frage nach dem Motiv bereitet uns großes Kopfzerbrechen. Selbst wenn |373| ich wollte, könnte ich sie nicht eindeutig beantworten. Ich kann also nur an Sie appellieren, uns noch etwas Zeit zu lassen.
Wir arbeiten weiter. Und Sie wollen ja auch nächste Woche Ihren Lesern und Zuschauern noch etwas mitzuteilen haben. Ich verspreche
Ihnen, dass wir Sie auf dem Laufenden halten werden. Vertrauen Sie uns. Wir bedanken uns für die konstruktive Zusammenarbeit
und wünschen Ihnen allen einen guten Heimweg.»
Die Mikrophone wurden abgestellt. Marthaler pfiff leise durch die Zähne. Liebmann sah ihn an und lächelte.
«Nicht schlecht, oder?», sagte er.
«Aber haarscharf», erwiderte Marthaler, der das Gefühl hatte, in den letzten Stunden um Jahre gealtert zu sein. Dass Gabriel
Eissler seine Sache bravourös gemeistert hatte, musste er zugeben. Ohne je die Unwahrheit zu sagen, hatte Eissler den Eindruck
erweckt, alle Fragen vorbehaltlos zu beantworten. Gleichzeitig hatte er vermieden, irgendwelche Informationen weiterzugeben,
die sie nicht weitergeben durften. Trotzdem empfand Marthaler diese Pressekonferenz als ein einziges Spektakel, um die Sensationslust
der Öffentlichkeit zu befriedigen. Sie wurden dadurch nicht einen Schritt weitergebracht. Lediglich die Kettenhunde waren
für eine Weile ruhig gestellt worden.
«Und was machen wir jetzt?», fragte Kai Döring.
«Schlafen», sagte der Polizeipräsident, der plötzlich hinter ihnen stand. «Ich würde vorschlagen, Sie alle gehen jetzt nach
Hause, um sich auszuruhen. Nein, ich schlage es nicht vor, ich befehle es Ihnen!»
Marthaler verließ das Präsidium durch den Hinterausgang. Als er über den Hof lief, winkte ihn der Hausmeister zu sich. Er
führte ihn wieder in den kleinen Verschlag neben der Werkstatt. «Und, Chef? Was sagen Sie nun?»
|374| Marthaler staunte. Sein Rad stand an der Wand und sah aus, als sei es nie kaputt gewesen.
«Aber haben Sie nicht gesagt, die Reparatur würde eine Weile dauern?»
«Na ja», brummte der Mann, «war gerade nicht viel zu tun.»
Marthaler bedankte sich.
«Was bin ich schuldig?», fragte er.
Der Hausmeister winkte ab.
«Schon gut», sagte er, «hab ja nur gebrauchte Teile verwendet.»
Marthaler öffnete sein Portemonnaie und zog einen Fünfzigmarkschein hervor. Als der Hausmeister das Geld nicht annehmen wollte,
stopfte er es ihm in die Brusttasche seines grauen Kittels.
Er stieg auf das Rad und drehte eine Runde.
«Fährt sich besser als vorher», sagte er.
«Mmmh, hab alles schön eingefettet», sagte der Hausmeister. «Nun kaufen Sie sich aber mal ein ordentliches Schloss. Und, Chef,
wenn mal wieder was ist …»
Marthaler winkte ihm zum Abschied zu. Dann fuhr er los. Er war froh, nicht schon wieder ein Taxi nehmen zu müssen. Der Fahrtwind
tat ihm gut. Auf der Heimfahrt dachte er über den Hausmeister nach. Er hatte fast vergessen, dass es Leute gab, die mit den
Händen arbeiteten, für die es selbstverständlich war, ihre Arbeit mit Sorgfalt zu verrichten, und die keine großen Worte darüber
verloren. Im Stillen beneidete Marthaler den Mann, und er sehnte sich nach einer Tätigkeit, die ihn nicht dazu zwang, immer
und immer wieder im Müll zu wühlen.
Als er die Wohnungstür aufschloss, hörte er aus dem Wohnzimmer Musik. Tereza kam vom Balkon und lächelte ihm zu. Sie war barfuß.
Sie hatte nur ein Paar Shorts an und |375| ein gestreiftes T-Shirt . Sie küsste ihre Fingerspitzen und tippte damit auf seine Stirn.
«Du bist ermüdet», sagte sie.
Marthaler sah in den Spiegel und drehte sich gleich wieder weg. «Das kann man wohl sagen.»
«Geh schlafen. Wenn du aufwachst, mache ich uns etwas zu essen.»
«Nein», sagte er. «Ich würde mich gerne eine Weile zu dir in die Sonne
Weitere Kostenlose Bücher