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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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stiegen aufs Motorrad und fuhren zurück.
    «Ich weiß nicht», sagte Petersen später, als sie in Marthalers Büro saßen, «ich glaube, ich kenne ihn. Ich bin ihm schon mal
     begegnet.»
    «Werner Hegemann?»
    «Ja, aber es fällt mir nicht ein, wann und wo ich ihn getroffen habe.»
    «Überleg bitte.»

|72| Fünf
    Die Wirkung der Tabletten hatte nachgelassen, und die Kopfschmerzen begannen von neuem.
    «Vielleicht hast du einfach Hunger», meinte Elvira. «Was hältst du davon, wenn wir mal wieder gemeinsam in die Kantine gehen?»
    «Ja», sagte Marthaler. «Kantine hört sich verlockend an. Stell einfach das Telefon auf die Zentrale um.»
    «War wohl schlimm, die Sache im Wald?»
    «So schlimm, dass ich nicht weiß, wie häufig ich einen solchen Anblick noch ertragen möchte. Ich habe Angst, irgendwann pensioniert
     zu werden und nur grässliche Erinnerungen an meinen Beruf zu haben. Übrigens wollte ich mich bei dir entschuldigen wegen vorhin.
     Du hast keinen Fehler gemacht, ich war nur so   …»
    «…   ‹angefressen›, hätte meine Tochter das genannt.»
    Marthaler lachte. «Ja, angefressen.»
    «Schon gut», sagte Elvira.
    «Wie geht es deinem Enkelkind?»
    «Ach, dem geht es gut. Nur Sabine macht mir Sorgen. Sie kam vorige Woche abends zu mir und erzählte, dass ihr Mann bezweifelt,
     dass die Kleine von ihm ist.»
    «Und was sagt Sabine dazu? Sie können doch einen Test machen lassen.»
    «Das ist es ja. Sabine befürchtet, dass ihr Mann Recht hat. Sie sagt, sie sei sich selbst nicht ganz sicher.»
    «O Gott.»
    «Aber lass uns bitte nicht darüber reden. Ich habe zwei Nächte lang geheult und will nichts mehr davon hören. Du |73| solltest nur wissen, wenn ich im Moment ein wenig neben der Spur bin, dann liegt es auch daran. Aber ändern kann ich ja doch
     nichts. Es ist ihr Leben.»
    «Ja», sagte Marthaler, «und offensichtlich muss jeder auf seine eigene Weise unglücklich werden.»
    Am Eingang der Kantine nahmen Marthaler und Elvira jeder ein Tablett. Während Elvira sich mit einem Salat, einem ungesüßten
     Apfelkompott und einem Fläschchen Mineralwasser begnügte, hatte Marthaler das Gefühl, sich für den entgangenen Urlaub entschädigen
     zu müssen. Er bestellte Rindergulasch mit Sauerkraut und Kartoffelbrei. Und als Nachtisch einen Vanillepudding mit Schokoladensauce.
     Dazu nahm er eine Flasche alkoholfreies Bier, besann sich dann aber und stellte noch eine zweite Flasche dazu.
    «Irgendwas stimmt mit diesem Hegemann nicht», sagte er, «aber ich glaube kaum, dass er etwas mit dem Mord zu tun hat. Mag
     sein, dass er ein krummer Hund ist, aber er ist nur einfach zufällig dort vorbeigekommen.»
    «Wisst ihr denn schon, wer der Tote war?»
    «Nein, und es kann Tage oder Wochen dauern, bis ihn irgendwer vermisst. Und wir wissen noch nicht einmal, ob er Deutscher
     war. Genauso gut könnte es sich auch um einen Polen, einen Schotten oder einen Norweger handeln. Ich fürchte, wir werden ein
     Foto des Leichnams veröffentlichen müssen. Aber dann: Stell dir mal die Angehörigen vor, wenn sie morgens die Zeitung aufschlagen
     und das Foto ihres toten Sohnes oder Bruders erblicken.»
    «Oder ihres toten Mannes.»
    «Verdammt, Elvira, du hast Recht.» Marthaler schlug sich an die Stirn. Elvira sah ihn fragend an.
    «Ich habe noch nicht einmal darauf geachtet, ob er einen Ehering trug oder nicht. Ich werde nachher gleich nachfragen.»
    |74| «Und was, wenn ihr einen Profiler vom BKA hinzuzieht?», fragte Elvira.
    Marthaler verdrehte die Augen.
    «Du liest wohl zu viele amerikanische Krimis», sagte er. «Mal im Ernst, ich glaube kaum, dass wir damit in unserem Fall weiterkämen.
     Ich nehme nicht an, dass wir es hier mit einem geplanten Mord oder mit einem Serienkiller zu tun haben. So, wie der Tote zugerichtet
     war, sieht mir das eher danach aus, als habe der Täter sein Opfer zutiefst gehasst, als habe er seine Wut an ihm austoben
     müssen. Wir müssen wissen, wer der Tote war, wie er gelebt hat, mit wem er zu tun hatte, sonst kommen wir nicht weiter.»
    «Weißt du, was mich wundert?», sagte Elvira. «Dass du nach einem solchen Morgen mit so viel Appetit essen kannst.»
    Marthaler hielt einen Moment inne und schaute sie an.
    «Willst du mir auch das noch mies machen? Wenn ich nicht einmal mehr essen könnte, würde ich einen solchen Fall bestimmt nicht
     durchstehen.»
    Sie lachte.
    Er schob sich den letzten Löffel Pudding in den Mund, wischte sich mit der Serviette über die Lippen und

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