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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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thailändisches Rindercurry», rief Sabato jetzt mit dröhnender Stimme, als er Marthaler durch den Gang kommen sah, «einsame
     Spitze. Hab ich noch am selben Abend gekocht.»
    Dabei legte er die Kuppen von Daumen und Zeigefinger seiner riesigen Hand zusammen, führte sie an seine gespitzten Lippen
     und gab ihnen den Genießerkuss.
    «Und weißt du, was ich als Nachtisch gemacht habe? Gebackene Babybanane, in Honig geschwenkt, mit Kokosflocken bestreut und
     mit einem Mangoschnaps flambiert. Ich sag dir, ein Gedicht.»
    Dann öffnete er die Schublade seines Schreibtischs, zog eine kopierte DIN-A 4-Seite heraus und überreichte sie Marthaler. «Und hier, mein Lieber, etwas ganz Spezielles für dich: grüner Spargel mit karamellisierten
     Riesengarnelen in einer süßscharfen Sauce aus Chili und Orangenlikör. Vietnamesisch. Musst du unbedingt ausprobieren. Ich
     sage dir   …»
    «Ich weiß», sagte Marthaler, «ein Gedicht.»
    «Schöne Sauerei, die ihr mir da gebracht habt», meinte Sabato und zeigte hinter sich auf den Metalltisch, wo die blutgetränkten
     Kleidungsstücke des Mordopfers lagen. «Viel sagen kann ich allerdings noch nicht.»
    «Das habe ich befürchtet.»
    «Noch dazu haben die Kollegen von der Spurensicherung mal wieder Müllabfuhr gespielt und alles eingesammelt, was sie auf dem
     Waldboden gefunden haben. Hier, schau dir das an.»
    Sabato hob ein sorgfältig beschriftetes Plastiktütchen nach dem anderen hoch und ließ sie wieder fallen.
    «Kaugummipapier, Zigarettenstummel, ein Knopf, ein alter Socken, ein Fahrradventil, und hier, ein halbvergammelter |78| Frühstücksbeutel aus der Steinzeit. Das müssen wir jetzt alles untersuchen und kommen am Ende wahrscheinlich zu dem Ergebnis,
     dass keiner dieser Gegenstände irgendetwas mit dem Opfer oder dem Täter zu tun hat. Und schau dir das an: Hundehaare, nehme
     ich an. Was meinst du, wie viele Köter jeden Tag zum Gassigehen in den Wald geführt werden, sich dabei an einem Baum kratzen
     und ein paar Haare verlieren. Wenn wir die alle untersuchen wollten   …»
    Marthaler hob die Hände.
    «Schon gut», sagte er, «ich weiß, dass ihr viel zu tun habt. Aber wir wissen praktisch nichts. Und deshalb haben wir keine
     andere Chance, als alle Spuren auszuwerten.»
    «Wisst ihr denn, wer der Knabe war?», fragte Sabato.
    «Eben nicht.»
    «Jedenfalls scheint er nicht arm gewesen zu sein.»
    «Wie kommst du darauf?», fragte Marthaler.
    «Die Klamotten, alles piekfeine Ware. Selbst die Unterhose ist ein Designermodell. Ich schätze mal, die hat allein siebzig
     Mark gekostet. Bei Woolworth hat der Junge jedenfalls nicht eingekauft.»
    «Das ist ja schon mal was. Obwohl auch das nichts heißen muss.»
    «Ach so», erwiderte Sabato ein wenig pikiert. «Dann nützen dir meine Informationen also nichts?»
    «Komm, so war es nicht gemeint. Aber heute bestehen doch selbst die Kinder eines Arbeitslosen darauf, Markenkleidung zu tragen.
     Vielleicht hatte er Geld, vielleicht auch nicht. Mehr wollte ich nicht sagen. Hast du sonst noch was?»
    «Nein, aber frag mich morgen Vormittag nochmal, dann sind wir ein Stück weiter.»
    «Fast hätte ich es vergessen. Hast du in einer deiner Wundertüten vielleicht einen Ehering gefunden?», fragte Marthaler. «Oder
     ein anderes Schmuckstück?»
    |79| «Am besten noch graviert mit den Namen und Adressen von Opfer und Täter. Meinst du das? Nee, das hätte ich dir bestimmt nicht
     verschwiegen.»
    «Eins zu eins», sagte Marthaler und grinste. «Ich meld mich morgen wieder.»

|80| Sechs
    Als Marthaler aus dem Kellergeschoss in die Eingangshalle des Präsidiums kam, herrschte dort große Aufregung. Er fragte einen
     der Schutzpolizisten, was los sei, und erfuhr, dass schon wieder eine Bombendrohung eingegangen sei. Ein anonymer Anrufer
     habe zehn Minuten zuvor angekündigt, dass in einer halben Stunde auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs ein Sprengsatz detonieren
     werde. Das war der dritte Anruf dieser Art innerhalb der letzten Woche. Und selbstverständlich reagierte man am Vortag des
     Präsidentenbesuches besonders nervös auf derlei Drohungen. Auch wenn sich in den meisten Fällen herausstellte, dass es sich
     um blinden Alarm und bei den Anrufern um verrückte Wichtigtuer handelte, war man doch jedes Mal gezwungen abzuwägen, wie ernst
     eine solche Warnung zu nehmen war, welche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung getroffen werden mussten. Nachdem erst vor
     ein paar Wochen bei einem Sprengstoffanschlag in

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