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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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bearbeite,
     dann zu meinen Bedingungen.»
    «Und die wären?»
    «Ich möchte, dass zwei unserer Leute, die Sie für den Präsidentenbesuch abgezogen haben, ab morgen früh für den Fall zur Verfügung
     stehen. Und zwar Döring und Liebmann.»
    «Einverstanden.»
    «Außerdem möchte ich, dass uns Manfred Petersen für die Dauer der Ermittlungen assistiert.»
    «Wer ist Manfred Petersen?»
    «Ein Schutzpolizist, den wir heute schon ein paarmal als Fahrer missbraucht haben.»
    «Ein Schutzpolizist?»
    «Ja, ein kluger Kollege. Er kann sich zu Kerstin Henschel ins Büro setzen. Dort gibt es einen freien Schreibtisch.»
    «In Ordnung, wenn Sie meinen. Ich werde das organisieren.»
    «Chef?»
    «Was denn noch?»
    «Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Und: Danke schön.»
    Als Marthaler den Hörer aufgelegt hatte, applaudierte Sabato. |105| «Bravo, das war eine Glanzleistung in Verhandlungsführung.»
    Aber Marthaler sah erschöpft aus. Er schüttelte den Kopf.
    «Nein», sagte er. «Ich mag solche Spielchen überhaupt nicht. Und eigentlich schäme ich mich dafür. Aber manchmal habe ich
     den Eindruck, dass man diese Tricks von uns bereits so sehr erwartet, dass wir gar nicht mehr ernst genommen werden, wenn
     wir sie nicht anwenden.»

|106| Zehn
    Manon war ruhig. Nachdem der fremde Mann das Haus verlassen hatte, war sie in die Küche gegangen. Sie durchwühlte Schränke
     und Schubladen. Auf einem Regal fand sie eine Blechkiste mit Papieren und Geld. Sie nahm die Scheine heraus und steckte sie
     in die Tasche der schwarzen Lederjacke. Sie war müde, aber schlafen wollte sie in dem Haus nun nicht mehr. Sie ging zurück
     ins Wohnzimmer, öffnete die Tür zur Terrasse und trat ins Freie. Es war ein warmer Tag. Sie hatte keine Pläne. Sie wusste
     nicht, wo sie war. Sie lief zur Vorderseite des Hauses und schaute sich um. Dann ging sie die Straße hinunter und freute sich
     über die schönen Blumen in den Vorgärten. Alles hier war sehr gepflegt. Die schwarzen Sportschuhe, die sie sich ausgesucht
     hatte, waren weich und bequem. Ihr Gang war leicht.
    Man schaute ihr nach. Ihre Schönheit fiel auf, ihr Haar leuchtete in der Sonne.
    Ein Bauarbeiter, der auf einem Gerüst stand, pfiff einen Schlager und rief ihr etwas zu. Ein paar Jungen, die mit ihren Rädern
     vor einer Garage standen, machten Bemerkungen. Als sie zu ihnen hinüberschaute, drehten sie sich weg und fingen an zu kichern.
    Vor einem Zaun, hinter dem eine Frau ihren Rasen wässerte, blieb Manon stehen. Die Frau trug große rosafarbene Gummihandschuhe.
     Manon lächelte. Etwas unsicher lächelte die Frau zurück. Manon sagte, das seien die schönsten Handschuhe, die sie in ihrem
     gesamten Leben gesehen habe, und fragte, wo man sie kaufen könne. Sie sprach französisch, aber als sie merkte, dass die Frau
     sie nicht verstand, wiederholte sie |107| den Satz sofort auf Deutsch. Die Frau war verärgert. Sie zog die Handschuhe aus, ließ sie achtlos auf den Rasen fallen, wandte
     sich ab und ging ins Haus. Manon blieb stehen und schaute ihr nach. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie über den Zaun
     klettern und sich die rosa Gummihandschuhe holen solle. Dann erschien die Frau am offenen Küchenfenster. Sie hatte einen Telefonhörer
     in der Hand. Sie schrie Manon an, wenn sie nicht sofort verschwinde, werde sie die Polizei holen. Ihre Stimme überschlug sich,
     ihr Gesicht sah aus wie zerrissen. Manon hob ihre Hand zum Zeichen, dass sie keine bösen Absichten habe, aber die Frau schrie
     nur immer wieder: «Gehen Sie, gehen Sie!»
    Manon ging.
    An einer Bushaltestelle traf sie zwei Mädchen. Beide hatten Spangen im Mund, und beide hatten ihre Sporttaschen dabei.
    «Ihr seid sehr schön», sagte Manon. «Wo wollt ihr hin?»
    Die Mädchen schauten sich an.
    «Ins Schwimmbad», sagte das ältere der beiden.
    «Ich habe darüber gelesen», sagte Manon. «Dort würde ich auch gerne hingehen. Zeigt ihr mir den Weg? Ich werde euch nicht
     stören.»
    Als der Bus kam, stieg Manon hinter den Freundinnen ein. Sie legte einen Geldschein auf das Tablett des Fahrers, nahm ihr
     Ticket, ließ aber das Wechselgeld liegen. Der Fahrer rief ihr nach, aber sie reagierte nicht. Sie setzte sich ans Fenster
     und lehnte ihre Stirn an die kühle Scheibe. Ohne noch einmal mit ihnen zu sprechen, sah sie immer wieder zu den beiden Mädchen.
     Als sie am Stadionbad ankamen, nickte die Ältere Manon zu.
    «Hier ist es», sagte sie.
    Manon stieg aus. Sie stellte sich hinter den

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