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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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die
     beiden das Besprechungszimmer betraten. Neben Kerstin Henschel waren auch Walter Schilling von der Spurensicherung, der Kriminaltechniker
     Carlos Sabato und die beiden jungen Kommissare Kai Döring und Sven Liebmann anwesend.
    Döring und Liebmann kannten sich von der Polizeischule und galten seitdem als unzertrennlich. Marthaler hatte bereits mehrmals
     mit ihnen zusammengearbeitet. Er wusste: So unterschiedlich die beiden auch waren, sie ergänzten einander gut. Döring war
     klein, eher korpulent und hatte, obwohl noch nicht einmal dreißig Jahre alt, nur noch einen Kranz roter Haare auf seinem runden
     Schädel. Er war freundlich, sehr vital und derjenige in dem Zweiergespann, der das Reden übernahm. Sven Liebmann hingegen
     war ein stiller, groß gewachsener Sportler. Er galt als überaus gut aussehend, und Marthaler hatte mehrfach mitbekommen, wie
     ihm die jungen Kolleginnen in der Kantine begehrliche Blicke zuwarfen. Liebmann sprach nur, wenn es gar nicht anders ging,
     aber immer, wenn man am wenigsten damit rechnete, überraschte er seine Kollegen durch ungewöhnliche Schlussfolgerungen.
    «Gebt mir noch fünf Minuten», sagte Marthaler. Er setzte sich an den Platz, wo Kerstin sein Frühstückstablett abgestellt hatte,
     tunkte ein trockenes Croissant in den lauwarmen Kaffee und begann, die Zeitungen durchzublättern. Weil die Pressestelle der
     Polizei nur eine kleine Meldung herausgegeben hatte, |143| brachten «Rundschau» und «Allgemeine» in ihren Lokalteilen lediglich je einen kurzen, sachlichen Text über die unbekannte
     Leiche im Wald. Als Marthaler jedoch den «City Kurier» aufschlug, wurde er wütend. Was ihn empörte, war nicht die widerwärtige
     Wortwahl des Artikels, die man von dieser Zeitung aus vergleichbaren Fällen gewohnt war, sondern das sechs Spalten breite
     Foto von der Leiche am Tatort, das fast die gesamte obere Hälfte der Seite einnahm.
    «Verdammter Mist!», schrie er. «Das darf doch nicht wahr sein. Wo haben die das her? Welcher Idiot hat denen erlaubt zu fotografieren?»
    Walter Schilling zog die Augenbrauen hoch und schaute Marthaler an. Als Chef der Spurensicherung war er für die Absperrung
     des Tatortes verantwortlich gewesen. Er hatte das Foto heute Morgen in der Zeitung gesehen und im Stillen gehofft, Marthaler
     würde es nicht entdecken.
    «Nun mal halblang», sagte Schilling, «natürlich hat niemand irgendwem erlaubt zu fotografieren. Oder hast du den Eindruck,
     von Anfängern umgeben zu sein?»
    «Heißt das, sie haben die Aufnahme ohne Erlaubnis gemacht? Dann zeigen wir sie an.»
    Schilling schüttelte den Kopf.
    «Nein?» Marthaler schaute ihn fragend an. «Was dann? Es kann ja wohl nicht sein, dass wir uns die Hacken abrennen, um einen
     unbekannten Toten zu identifizieren, und dann erscheint in diesem Drecksblatt gegen unseren Willen ein Foto der Leiche.»
    Marthaler wurde ungeduldig.
    Kerstin Henschel versuchte, ihn zu beschwichtigen.
    «Wenigstens erkennt man den Toten nicht auf dem Foto», sagte sie.
    «Ich weiß, das macht die Sache nicht besser», sagte Schilling, bevor Marthaler erneut aufbrausen konnte. «Jedenfalls |144| nicht entscheidend. Wie es aussieht, ist uns ein Fehler unterlaufen.»
    «Ein Fehler?» Marthaler schaute ungläubig.
    «Ja», sagte Schilling, «bei der Aufnahme im ‹City Kurier› handelt sich um ein Polizeifoto. Irgendwer scheint es irrtümlich
     herausgegeben zu haben. Wir wissen noch nicht, wer. Vielleicht einer unserer Fotografen, vielleicht jemand aus dem Labor,
     vielleicht eine Schreibkraft. Wir müssen das untersuchen.»
    «Irrtümlich rausgegeben?» Marthalers Stimme bekam einen höhnischen Unterton. «Glaubst du das wirklich? Ich sage dir, was passiert
     ist: Da hat sich einer unserer Leute ein Zubrot verdient. Und wahrscheinlich kein ganz kleines. Du weißt doch selbst, welche
     Summen die Zeitungsleute für solche Fotos zahlen. Da sprichst du allen Ernstes von einer Panne?»
    Walter Schilling hob abwehrend die Hände. «Robert, bitte   … Ich habe die Zeitung mit dem Bild vor gut einer Stunde zum ersten Mal gesehen. Es war noch keine Zeit, die Sache aufzuklären.»
    Carlos Sabato hatte die ganze Zeit schweigend an der Fensterbank gelehnt und mit halb abgewandtem Kopf nach draußen geschaut.
     Jetzt drehte er sich um, sah Marthaler an und ließ seine tiefe Stimme vernehmen: «Hätte Walter allerdings gewusst, dass wir
     hier alle untätig rumsitzen müssen, während du dich noch im Bett wälzt, hätte er

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