Ein allzu schönes Mädchen
suchte im Branchenverzeichnis die Adresse, dann bestellte er einen Streifenwagen. Als er
die Kollegen auf der Straße halten sah, nahm er das Kätzchen auf den Arm. Er zog die Tür hinter sich ins Schloss. Dann klingelte
er beim Hausmeister und bedankte sich für dessen Hilfe. Er teilte ihm mit, dass sich eine neue Lage ergeben habe, dass er
den Wohnungsschlüssel behalten müsse und dass in Kürze ein Beamter komme, um die Wohnung zu versiegeln.
Er öffnete die hintere Tür des Polizeiautos und setzte sich auf die Rückbank. Das Kätzchen miaute. Als Marthaler es streichelte,
rieb es den Kopf an seinem Arm. Er dachte einen kurzen Moment nach, dann stand sein Entschluss fest.
«Ins Präsidium, bitte», sagte er.
In der Glauburgstraße bat er den Fahrer, kurz zu halten. Er stieg aus, ging in eine Zoohandlung, kaufte einen roten Plastikkasten,
einen Sack Katzenstreu und drei Dosen Futter.
Als sie zwanzig Minuten später den Parkplatz des Präsidiums erreicht hatten, sah Marthaler, wie Sabato gerade über den Hof
lief. Er kurbelte die Scheibe herunter und rief ihn zu sich. «Carlos, komm! Du kannst mir tragen helfen.»
Sabato kam näher und schaute ihn fragend an.
«Ich habe etwas für dich», sagte Marthaler.
Endlich hatte Sabato das kleine Tier entdeckt. Seine Augen begannen zu leuchten. Er streckte beide Hände aus. Einen Moment
später hatte er sich das Kätzchen bereits an seinen Hals gelegt und rieb sein Kinn am Kopf des Tieres.
|198| Marthaler lächelte. Es sah merkwürdig aus, mit welcher Zärtlichkeit dieser große, massige Mann die kleine Katze behandelte.
«Es wäre schön, wenn du dich um sie kümmern könntest», sagte Marthaler.
«
Ihn!
», sagte Sabato. «Wenn ich mich um
ihn
kümmern könnte. Es ist ein Kater.»
«Es ist nicht sicher, dass du ihn behalten kannst. Das hängt von unseren weiteren Ermittlungen ab.»
«Dann ermittelt bitte so,
dass
ich ihn behalten kann», erwiderte Sabato.
Marthaler fiel ein, dass er vergessen hatte, Sandra Gessner nach dem Namen des Tieres zu fragen.
«Ich weiß nicht, wie der Kater heißt. Du musst dir selbst einen Namen überlegen.»
Sabato strahlte.
«Wenn das das einzige Problem ist …», sagte er.
Dann wandte er sich ab, ohne den Satz zu beenden, und ging auf den Eingang zu. Seine Kollegen schien er bereits vergessen
zu haben.
«Komm», sagt er zu dem Kätzchen, «ab jetzt beginnt das schöne Leben.»
Als Marthaler wenige Minuten später sein Büro betrat, hielt ihm Elvira den Telefonhörer hin.
«Für dich», sagte sie, «es ist Sabato.»
«Aber ich habe doch gerade mit ihm …»
Sabatos Stimme dröhnte durch den Hörer. «Robert, alte Socke, du bist ein Schatz. Du hast dir ein Essen verdient. Wie wär’s,
wenn du heute Abend zu uns in den Garten kommst. Ich lege eine Kleinigkeit auf den Grill, wir gönnen uns ein Fläschchen Roten,
und du atmest mal durch.»
Marthaler überlegte einen Moment. Eigentlich vermied er |199| es, während der heißen Phase einer Ermittlung private Verabredungen zu treffen. Zu oft passierte es, dass er im letzten Moment
absagen musste. Aber das Angebot klang verlockend, und Sabato hatte Recht: Er brauchte dringend eine Pause. Also sagte er
zu.
Seit Sandra Gessners Bericht hatte er den Eindruck, dass sie ein kleines Stück vorangekommen waren. Zum ersten Mal meinte
er, ein Gefühl für den Fall zu entwickeln. Und die Aussicht auf einen ruhigen, verplauderten Abend unter Sabatos Obstbäumen
hob seine Stimmung um ein Weiteres.
Dann rief er den Untersuchungsrichter an. Er erläuterte ihm kurz den Stand der Ermittlungen und bat um einen Durchsuchungsbeschluss
für die Wohnung in der Burgstraße. Der Richter versprach, das Dokument umgehend zu unterschreiben und durch einen Boten zu
schicken.
Marthaler schaute auf die Uhr. Es wurde Zeit für die Sitzung. Auf dem Weg dorthin begegneten ihm Kerstin Henschel und Manfred
Petersen. Sie wirkten erschöpft. Als sie gemeinsam den Raum betraten, saßen Sven Liebmann und Kai Döring bereits auf ihren
Plätzen. Marthaler fiel ein, dass er vergessen hatte, mit Schilling zu sprechen. Er rief ihn an und bat ihn, so bald wie möglich
die Wohnung von Hendrik Plöger zu untersuchen und anschließend zu versiegeln.
«Und was sollen wir dort finden?» Der Chef der Spurensicherung klang mürrisch. Er hatte wohl den Disput vom Nachmittag noch
nicht vergessen.
«Alles», sagte Marthaler. «Alles, was in irgendeinem Zusammenhang mit
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