Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
Vom Netzwerk:
schwer. Er legte sein Ohr an die Wohnungstür.
     Er hörte ein anderes, höheres Geräusch, dem ein Wispern folgte.
    Er war sich jetzt sicher, dass die Wohnung nicht leer war. Hinter dieser Tür befand sich jemand, der ihm nicht öffnen wollte
     oder nicht öffnen konnte. Er beugte sich hinab, konnte aber durch das Schlüsselloch nichts erkennen. Er schnaufte und hatte
     das Gefühl, dass man sein lautes Atmen bis auf die Straße würde hören können.
    Mit einem Mal meinte er, einen schwachen Geruch wahrzunehmen, den er kannte, den er aber nicht zuordnen konnte. |192| Merkwürdigerweise erinnerte ihn der Geruch an Sabato, aber er kam nicht darauf, wie diese Verbindung in seinem Kopf zustande
     kam.
    Einen Moment lang stand er ratlos vor der Tür. Dann drückte er erneut auf den Klingelknopf. Er klingelte Sturm. Er klopfte.
    «Aufmachen! Polizei!», rief er laut.
    Er hörte, wie einen Stock tiefer eine Wohnungstür geöffnet wurde. Kurz darauf sah er den Kopf eines Mannes um die Ecke lugen.
    «Kann ich Ihnen helfen?», fragte der Mann mit leiser Stimme.
    «Ich bin Polizist», sagte Marthaler. «Ich muss in diese Wohnung. Können Sie mir sagen, wo ich den Verwalter finde?»
    «Einen Moment», sagte der Mann und verschwand.
    Marthaler wartete. Er war entschlossen, sich nicht von der Stelle zu rühren. Wer auch immer in dieser Wohnung war, er wollte
     es wissen. Kurz darauf stand der Mann mit einem großen Schlüsselbund neben ihm.
    «Ich bin der Hausmeister», sagte er freundlich. «Kann ich bitte Ihren Ausweis sehen?»
    Marthaler war erstaunt, wie selbstverständlich der Mann mit der Situation umging. Es schien, als erlebe er so etwas nicht
     zum ersten Mal. «Wann haben Sie Herrn Plöger zum letzten Mal gesehen?»
    Marthaler hatte seine Frage fast geflüstert. Der Hausmeister reagierte nicht. Marthaler schaute ihn an. «Was ist? Haben Sie
     mich nicht verstanden?»
    «Nein», sagte der Mann und lächelte. «Ich höre ein bisschen schwer. Ich kann Sie nur verstehen, wenn ich Ihre Lippen sehe
     und wenn Sie laut und deutlich sprechen. Wenn Sie nicht hier herumgepoltert wären, hätte ich gar nicht gemerkt, dass Sie im
     Haus sind. Was war Ihre Frage?»
    |193| «Ich wollte wissen, wann Sie Herrn Plöger das letzte Mal gesehen haben?»
    «Das ist schon eine Weile her. Aber ich bin auch erst heute Vormittag aus dem Urlaub zurückgekommen.»
    Marthaler nickte. Er ließ sich den Schlüssel von Plögers Wohnung geben, dann bat er den Mann, im Hausflur zu bleiben und darauf
     zu achten, dass niemand den dritten Stock betrat.
    Er wartete, bis der Mann die Treppe hinabgegangen war. Dann zog er seine Dienstwaffe, drehte den Schlüssel im Schloss, trat
     einen Schritt zur Seite und stieß die Wohnungstür mit dem Fuß auf.
    Der Gang war dunkel, die Türen zu den Zimmern geschlossen. Der Geruch war jetzt ganz deutlich.
    Marthaler tastete nach dem Lichtschalter. Kaum hatte er die Deckenlampe angeschaltet, sah er den roten Plastikkasten auf dem
     Linoleum stehen. Der Boden des Behälters war mit weißem Sand bedeckt. Ein Katzenklo. Jetzt erkannte Marthaler den Geruch.
     Und jetzt wusste er auch, warum dieser Geruch ihn an den Kriminaltechniker erinnerte. Genau ein solcher Kasten hatte in Sabatos
     Kellerverlies gestanden, als dessen Katzen Dolores und Ernesto noch lebten.
    Marthaler atmete durch. Sollte das die ganze Erklärung sein? Sollten die Geräusche, die er gehört hatte, von einer Katze stammen?
    Er wollte seine Pistole bereits sinken lassen, als aus einem der Zimmer das unterdrückte Weinen eines Kindes zu hören war.
    Eilig ging Marthaler bis ans Ende des Flurs, presste seinen Körper an die Wand, stieß die Tür auf und schob sich mit der Waffe
     im Anschlag in das Zimmer.
    Seine Verblüffung hätte nicht größer sein können. Mitten in dem Raum stand eine junge Frau. Sie schaute Marthaler mit |194| ängstlichen Augen an. Auf ihren Armen hielt sie ein höchstens einjähriges Kind. Über den Teppichboden tollte eine kleine Katze,
     die mit einer Plastikmaus spielte. Das Kind begann noch lauter zu weinen.
    «Ist sonst noch jemand in der Wohnung?», fragte Marthaler.
    Die Frau schüttelte den Kopf. Sie hatte offensichtlich Angst.
    Marthaler steckte seine Waffe ein.
    «Sie müssen keine Angst haben, ich bin Polizist», sagte er.
    Seine Kehle war ausgetrocknet. Er bat die Frau, sich hinzusetzen und das Kind zu beruhigen. Er suchte die Küche, nahm zwei
     Gläser aus dem Schrank und füllte sie mit Leitungswasser. Eins davon

Weitere Kostenlose Bücher