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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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unserem Fall stehen könnte. Wenn es Adressbücher gibt,
     Notizen, Aufzeichnungen, irgendetwas, das auf Bernd Funke oder auf einen gewissen Jo oder Jochen hinweist. Den Schlüssel für
     die Wohnung kannst du dir bei Elvira abholen. Dort findest du auch die richterliche Anordnung.»
    |200| Marthaler überlegte, ob er Schilling nochmal auf den Vorfall mit dem Foto ansprechen sollte. Er unterließ es. Das hatte Zeit.
     Einen Streit unter Kollegen konnten sie jetzt am wenigsten brauchen. Er legte den Hörer auf. Die anderen sahen ihn fragend
     an.
    «Wer ist Hendrik Plöger?», wollte Kerstin Henschel wissen. «Und wer ist Jochen?»
    Marthaler hob die Hände. Bevor er selbst erzählte, wollte er die Berichte der anderen hören. Er bat Kai Döring zu beginnen.
     Aber der verdrehte die Augen: «Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Wir haben nichts herausgefunden. Und um ganz genau zu sein:
     gar nichts. Wir haben stundenlang die Anwohner rund um den Stadtwald befragt, außerdem Spaziergänger, Waldarbeiter, Jogger,
     alle, die uns über den Weg gelaufen sind. Außer ein paar Wichtigtuern sind wir nur Leuten begegnet, denen nichts Ungewöhnliches
     aufgefallen ist. Jemand will gesehen haben, dass sein Nachbar in der Morgendämmerung etwas auf seinem Grundstück vergraben
     hat. Als wir das überprüft haben, stellte sich heraus, dass der Nachbar sich ein Becken bauen will, um das Regenwasser aufzufangen,
     und dass er sich dafür sogar eine Genehmigung geholt hat. Jemand will ein Sportmotorrad, ein anderer einen Jeep gesehen haben.
     Ein grüner Sportwagen ist niemandem aufgefallen. Eine alte Frau beklagte sich über eine Gruppe junger Leute, die ihr schon
     lange verdächtig vorkomme. Als einzigen Grund für ihren Verdacht gab sie an, dass es sich um Ausländer handele, die nachts
     ihre Musik an den Grillplätzen spielen.»
    Entnervt ließ Kai Döring den Stapel mit seinen Notizen auf den Tisch fallen.
    «Alles Schrott», sagte er. «Keine einzige Aussage, die uns auch nur einen Zentimeter weiter bringt.»
    «Damit mussten wir rechnen», sagte Marthaler. «Trotzdem war es wichtig, dass ihr das gemacht habt. Immerhin kann es |201| sein, dass einem der Befragten in den nächsten Tagen noch etwas einfällt und er sich bei euch meldet.»
    Marthaler merkte, dass er Döring und Liebmann durch seine Bemerkung nicht besänftigen konnte. Sie hatten einen ganzen Tag
     gearbeitet – ohne greifbares Ergebnis. Sie waren enttäuscht, und das konnte er gut verstehen. Dann fragte er Kerstin Henschel,
     ob es ihr und Petersen gelungen sei, Jörg Gessner ausfindig zu machen.
    «Nein», sagte Kerstin. «Es war wie verhext. Wo wir auch hinkamen, es schien niemand zu wissen, wo er sich gerade aufhält.
     Alle drucksten herum, behaupteten, sich nicht genau zu erinnern, wann sie ihn das letzte Mal gesehen haben. Zuerst waren wir
     nochmal bei Markus Gessner. Auch der hat angeblich nichts gewusst. Schließlich hat er aber zugegeben, dass sein Bruder bei
     ihm zwar gemeldet ist, aber nur gelegentlich in dem Haus am Günthersburgpark wohnt. Und zwar wohl immer dann, wenn er gerade
     eine neue Freundin hat. Immerhin haben wir erfahren, dass Jörg Gessner verheiratet ist und einen kleinen Sohn hat.»
    «Und dass er seine Finger offensichtlich in jedem nur denkbaren zwielichtigen Gewerbe hat», ergänzte Manfred Petersen.
    Marthaler mochte solche Worte wie «zwielichtig» nicht. Sie waren ihm zu allgemein. Polizisten neigten oft dazu, einen allzu
     schlichten Begriff von Normalität zu entwickeln. Alles, was davon abwich, betrachteten sie als merkwürdig, als zwielichtig
     oder gar als verdächtig. Ihre Kollegen, sich selbst und das Leben, das sie führten, hielten sie für normal. Das galt selbst
     für die Polizei in großen Städten wie Frankfurt. Marthaler wusste aber, wie gefährlich eine solche Sicht auf die Welt für
     ihre Arbeit sein konnte. Es konnte heißen, dass man bei der Suche nach einem Täter seine Aufmerksamkeit von denen ablenkte,
     die ein ähnliches Leben führten wie man selbst. Dass |202| man sich stattdessen zu sehr auf jene konzentrierte, die sich anders kleideten, die vielleicht anders sprachen oder einen
     anderen Lebensrhythmus hatten. Die Erfahrung zeigte jedoch, dass in jedem Milieu Verbrechen begangen wurden.
    «Was meinst du mit zwielichtig?», fragte er deshalb.
    Petersen war aufgestanden, um ein Fenster zu öffnen. Als er merkte, dass der Lärm von der Straße zu laut war, um sich weiter
     zu unterhalten, schloss er es

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