Ein allzu schönes Mädchen
beschreiben?»
|247| Weber überlegte einen Moment. Dann nickte er.
«Ja», sagte er. «Gewiss kann ich sie beschreiben.»
«Wir müssen diese Frau unbedingt finden», sagte Marthaler. «Es ist sehr wichtig. Fühlen Sie sich gesund genug, um morgen nach
Frankfurt ins Präsidium zu kommen und gemeinsam mit unserem Zeichner ein Phantombild anzufertigen? Einer unserer Wagen würde
Sie abholen und anschließend wieder in die Klinik bringen.»
Weber war einverstanden. Er fragte Marthaler, ob die Kelster-Sekuritas eine Mitteilung darüber erhalte, dass er eine falsche
Angabe auf seinem Kontrollzettel gemacht habe.
«Von mir erfahren die bestimmt nichts», sagte Marthaler.
«Danke», sagte Weber, «das ist nett von Ihnen.» Und nach einer kurzen Pause: «Aber vielleicht ist es sowieso egal.»
«Warum sollte es egal sein?»
Statt zu antworten, schüttelte Weber nur stumm den Kopf. Marthaler verabschiedete sich. Er sah, dass der Mann Tränen in den
Augen hatte.
Auf der ganzen Rückfahrt dachte Marthaler über den Wachmann nach. Er war ihm nicht unsympathisch, und er tat ihm Leid. In
gewisser Weise fühlte er sich ihm verwandt. Er teilte viele der Ansichten, die Weber geäußert hatte. Herbert Weber war ein
kluger und sensibler Mensch, der aus irgendwelchen Gründen seinen Platz in dieser Welt verloren hatte. Er wirkte, als stehe
er mit nichts und niemandem mehr in Verbindung. Er schien sehr einsam zu sein. Es kann nicht richtig sein, dachte Marthaler,
dass die Intelligenz eines solchen Menschen brachliegt. Bestimmt ist er ein guter Lehrer gewesen, und bestimmt wäre er das
noch heute. Aber es war niemand da, der ihm eine Chance geben wollte.
|248| Siebenundzwanzig
Als sie wieder in Frankfurt ankamen, war es bereits Abend. Marthaler schaute auf die Uhr. Es lohnte sich nicht mehr, jetzt
noch einmal ins Präsidium zu fahren. Elvira hatte sicher längst Feierabend gemacht. Er ließ sich vor seiner Wohnung im Großen
Hasenpfad absetzen. Die Haustür schloss er von innen ab, leerte seinen Briefkasten und ging nach oben. Bevor er sich noch
hingesetzt hatte, nahm er sein Notizbuch und suchte die Nummer von Paola Gazetti heraus. Die Besitzerin der Werkstatt meldete
sich sofort.
«Ah, der Commissario aus Francoforte. Sie haben Glück, ich wollte gerade Schluss für heute machen.»
Marthaler meinte, in ihrer Stimme wieder diesen belustigten Unterton zu hören.
«Gibt es neue besondere Vorkommnisse?», fragte sie.
Marthaler war irritiert. «Was meinen Sie damit?»
«Entschuldigen Sie, es war nur ein Witz», sagte sie. «Als Sie vor ein paar Tagen mit Ihrem Kollegen hier waren, haben Sie
gefragt, ob es besondere Vorkommnisse gab.»
«Ach so, ja», sagte Marthaler. Obwohl es ihm nicht unangenehm war, mit Paola Gazetti zu sprechen, war Marthaler zu müde, um
sich auf ihre Plauderei einzulassen. Er fühlte sich ihrer Ironie nicht gewachsen.
«Ja», sagte er, «es hat Vorkommnisse gegeben. Das ist der Grund, warum ich anrufe. Ich würde gerne Ihren Neffen noch einmal
sprechen.»
«Oh, warten Sie! Einen Moment. Er will gerade nach Hause fahren …»
|249| Sie legte das Telefon aus der Hand. Marthaler hörte, wie sie nach draußen ging und Guidos Namen rief. Kurz darauf meldete
sich der junge Mann.
«Leider muss ich Sie noch einmal belästigen», sagte Marthaler. «Es wäre nett von Ihnen, wenn Sie morgen Vormittag in Frankfurt
sein könnten. Wir brauchen dringend ein Phantombild der Frau, die Sie in dem Fiat gesehen haben.»
Guido schien einen Moment zu überlegen. «Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass ich sie nicht besonders gut gesehen habe. Aber
wenn ich Ihnen damit behilflich sein kann, werde ich kommen. Ist etwas geschehen?»
«Ja», sagte Marthaler ausweichend. «Wir brauchen Ihre Hilfe. Es wäre sehr wichtig. Wir haben noch einen weiteren Zeugen ausfindig
gemacht, und ich habe die Hoffnung, dass unser Zeichner gemeinsam mit Ihnen beiden am Computer ein halbwegs brauchbares Bild
des Mädchens zustande bringt. Die Kosten für die Fahrt werden wir Ihnen selbstverständlich erstatten.»
Marthaler gab dem Jungen eine Wegbeschreibung, dann verabschiedete er sich: «Und grüßen Sie bitte Ihre Tante noch einmal von
mir.»
Er hatte gerade aufgelegt und wollte nachschauen, ob er im Küchenschrank noch eine Tütensuppe oder eine Dose Ravioli fand,
als seine Sekretärin anrief.
«Elvira, bist du noch im Büro?»
«Nein. Ich bin zu Hause. Aber ich dachte, ich melde mich
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