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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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führen. Denn Jörg G. befand sich zum gleichen Zeitpunkt bereits gemeinsam mit seinem Anwalt
     auf dem Weg ins Polizeipräsidium, wo er dem dort verbliebenen Hauptkommissar Robert Marthaler ein lückenloses Alibi für den
     Zeitpunkt der beiden Morde vorlegte. Seltsam nur: Der Haftbefehl gegen G. wurde trotz aller Belege für seine Unschuld vollstreckt.
     Hören Sie dazu eine Stellungnahme seines Anwaltes.»
    Dr.   Fleckhaus erschien im Bild. Er plusterte sich auf. Er sprach von einem Akt der Willkür gegen seinen Mandanten, von Verschwendung
     der Steuergelder, von Rufschädigung. Er verlangte die unverzügliche Haftentlassung Gessners. Und er drohte mit Gegenmaßnahmen.
     Man werde, sagte er, sowohl Schadenersatzforderungen als auch eine oder gar mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden in Erwägung
     ziehen.
    Man habe, sagte der Fernsehmann, den Leiter der Mordkommission am Nachmittag gebeten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.
     Leider sei dieser zu keinem Kommentar mehr bereit gewesen. Was die Frage aufwerfe, ob die Polizei sich der Medien nur dann
     bediene, wenn sie für Fahndungszwecke gebraucht würden oder wenn es Erfolge zu vermelden gebe.
    Im nächsten Bild sah man Herrmann, wie er vor den Kameras flüchtete. Er hob die Hände und schüttelte den Kopf. Dann stieg
     er in seinen Wagen und fuhr davon. Der Moderator hob die Augenbrauen: «Keine Antwort ist auch eine Antwort», sagte er.
    |253| Marthaler schaltete den Fernseher aus. Die ganze Aktion, der er von Anfang an mit Skepsis begegnet war, hatte ihren schlimmstmöglichen
     Ausgang genommen. Aber statt Genugtuung gegenüber Hans-Jürgen Herrmann zu empfinden, war er wie gelähmt. Wieder einmal waren
     sie die Blamierten. Schon jetzt konnte er sich die Kommentare in den morgigen Zeitungen ausmalen. Man würde sie verspotten
     und zu Witzfiguren machen. Sie würden dadurch geschwächt werden und damit ein bisschen weniger in der Lage sein, ihren Aufgaben
     nachzukommen. Es würde schwer sein, den Misserfolg des heutigen Tages wieder wettzumachen.
    Immer mehr wurde es für Marthaler zur Gewissheit, dass die unbekannte junge Frau eine zentrale Rolle in diesem Fall spielte.
     Sie waren ihr dank Schillings Hilfe heute ein Stück näher gekommen. Trotzdem wog das andere schwerer. Sie hatten den Stein
     ein Stück den Berg hinaufgerollt, aber er war ein noch weiteres Stück wieder hinuntergerollt.
    Marthaler war müde und hungrig. Er ging in die Küche. Ganz hinten im Schrank fand er eine Dose Linsensuppe. Er öffnete sie,
     schüttete den Inhalt in einen Topf und stellte ihn auf den Herd. Zum Essen ging er ins Wohnzimmer. Später überlegte er, ob
     er einen Schluck Wein trinken solle, entschied sich aber für Mineralwasser. Gestern Abend bei Sabato hatte er mehr als genug
     Alkohol getrunken. Er stellte die Musikanlage an und legte eine CD mit den Konzerten Leonardo Leos ein. Er drehte die Lautstärke
     hoch, dann ging er in die Küche und machte den Abwasch. Anschließend legte er sich aufs Sofa. Die Gardine war zurückgezogen,
     und er schaute auf das Haus gegenüber. In der Wohnung der Stewardess brannte Licht, aber es war niemand zu sehen. Marthaler
     merkte, wie ihm die Augen zufielen. Kurz darauf war er eingeschlafen. Es war kurz nach halb zehn.
    Dann hörte er etwas klopfen. Er bemühte sich, das Geräusch |254| mit seinem Traum in Übereinstimmung zu bringen. Es klopfte wieder.
    Schließlich wachte er auf. Die Musik lief noch immer. Er hatte versehentlich die Wiederholungs-Taste gedrückt. Draußen war
     es finster. Schlaftrunken stand er auf und stellte den C D-Spieler ab. Er schaute auf die Uhr. Sie zeigte wenige Minuten vor Mitternacht. Er merkte, dass es an seiner Wohnungstür klopfte.
     Er ging hin und öffnete. Es war die Hausmeisterin, die sich über die laute Musik beklagte.
    «Welche Musik?», fragte Marthaler. «Bei mir läuft keine Musik.»
    Dann zog er sich aus, legte sich ins Bett und schlief augenblicklich wieder ein.

|255| Achtundzwanzig
    Als Georg Lohmann an diesem Morgen aufwachte, war es draußen noch dunkel. Er drehte sich um und streckte seine linke Hand
     aus, um ihr Haar zu berühren. Er lauschte und hörte ihren leisen, gleichmäßigen Atem. Dann schaute er auf die Uhr. Es war
     noch nicht einmal halb sechs. Es war Freitag, der 11.   August.
    Der Reporter Georg Lohmann, der sich selbst noch vor kurzem als den glücklichsten Ehemann und Vater bezeichnet hätte, war
     in keiner Weise auf das vorbereitet gewesen, was in den

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