Ein allzu schönes Mädchen
hier unangemeldet stören würde,
hätte ich hochkant rausgeschmissen.»
«Schön war’s übrigens», sagte Marthaler, «bei Elena und dir.»
«Du wiederholst dich», brummte Sabato, dessen Abneigung gegen freundliche Redensarten Marthaler kannte. «Und pass bitte auf,
dass du Antons Milchschale nicht umwirfst.»
Erst jetzt bemerkte Marthaler, dass er tatsächlich fast den kleinen Napf umgestoßen hätte, der direkt neben der Tür auf dem
Boden stand. «Carlos, ich bräuchte dringend …»
|266| Weiter kam er nicht. Sabato hob die Hand und unterbrach ihn. «Ich weiß, was du brauchst», sagte er. «Du willst wissen, ob
das Blut, das wir an den Klamotten der kleinen Einbrecherin gefunden haben, identisch ist mit dem Fremdblut, das an der Kleidung
Bernd Funkes klebte.»
Mit einer Hand stieß sich Sabato vom Schreibtisch ab. Sein Stuhl machte eine halbe Drehung, und Marthaler schaute in das grinsende
Gesicht des Kriminaltechnikers. «Stimmt’s?»
«Stimmt.»
«Und du willst die Information möglichst schnell haben?»
Marthaler nickte.
«Dann tu mir bitte einen Gefallen: Geh in dein Büro, spiel noch eine Weile mit deinem Jojo und lass mich in Ruhe arbeiten.
In spätestens einer halben Stunde bin ich bei dir, dann bekommst du dein Ergebnis.» Ohne noch etwas zu sagen, wandte sich
Sabato wieder seiner Arbeit zu.
«Du gehörst zu den wenigen angenehmen Menschen, die ich kenne», sagte Marthaler leise. «Aber manchmal bist du der verstockteste,
dickköpfigste, ekelhafteste Esel, dem ich je begegnet bin.»
Der Esel nickte. Und Marthaler machte sich auf den Weg in sein Büro.
Der gestrige Tag hatte seine Spuren hinterlassen. Die Stimmung in der Ermittlungsgruppe war so, wie Marthaler befürchtet hatte.
Herrmanns fehlgeschlagene Aktion und die hämischen Kommentare der Journalisten waren allen aufs Gemüt geschlagen. Niemand
schien zu wissen, wie es jetzt weitergehen sollte. Jeder hatte Angst, den nächsten Fehler zu begehen. Die Kollegen saßen in
ihren Büros, blätterten lustlos in den Unterlagen, telefonierten und beschäftigten sich mit belanglosen Routinearbeiten. Marthaler
ging reihum und bat alle, sich eine halbe Stunde später im Besprechungszimmer zu |267| versammeln. Er war entschlossen, die Arbeit nicht ins Stocken geraten zu lassen. Weder ein Rückschlag noch das Gemecker der
Medien durften sie daran hindern, jetzt weiterzumachen.
Er klopfte an die Tür von Herrmanns Vorzimmer. Als niemand antwortete, ging er hinein. Die Sekretärin saß nicht an ihrem Platz.
Marthaler nahm an, dass sie frühstücken gegangen war. Auch der Chef der Mordkommission war nicht in seinem Büro. Im Vorzimmer
klingelte das Telefon. Marthaler zögerte einen Moment, dann ging er hin und nahm den Hörer ab. Er meldete sich. Er hörte nur
das Atmen auf der anderen Seite der Leitung, dann wurde aufgelegt. Kurz darauf läutete das Telefon erneut. Diesmal meldete
sich Herrmann.
«Marthaler, was haben Sie in meinem Büro zu suchen?»
«Ich wollte mit Ihnen sprechen, und weil niemand hier war …»
«Das ist mir egal. Ich bin krank.»
«Das tut mir Leid. Ich wollte nur wissen, wie wir weiter vorgehen sollen.»
«Machen Sie, was Sie für richtig halten.»
Marthaler musste grinsen. Es war keine vierundzwanzig Stunden her, da hatte ihn Herrmann in den Innendienst verbannen und
ihm so den Fall aus der Hand nehmen wollen. Jetzt schien er sich nicht einmal mehr für den Fortgang der Ermittlungen zu interessieren.
«Danke», sagt Marthaler nur. «Das werde ich tun.»
Er überlegte, ob er Herrmann gute Besserung wünschen sollte, aber er brachte es nicht über sich. Er war sicher, dass sein
Chef nicht krank war, sondern kniff, weil er nicht bereit war, die Folgen seines gestrigen Fehlers zu tragen. Herrmann interessierte
sich nicht mehr für den Fall. Er hatte ihn in dem Moment abgehakt, als er gemerkt hatte, dass er vor den Kameras nicht mehr
als strahlender Sieger würde posieren können.
In diesem Moment fasste Marthaler den Entschluss, keine |268| Rücksicht mehr auf Herrmanns Entscheidungen zu nehmen. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht mehr. Zur Not würde er die Weisungen
seines Vorgesetzten unterlaufen. Er war nicht bereit, seine Arbeit irgendwelchen politischen Winkelzügen und undurchschaubaren
Nebenabsichten zu unterwerfen. Lieber nahm er den Kampf auf. Er würde die Konfrontation nicht suchen, aber er würde ihr auch
nicht mehr ausweichen.
Auf seinem
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