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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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werde. Die Frau nickte stumm, dann begann sie erneut zu weinen. Marthaler verließ
     das Empfangszimmer und ging hinunter ins Souterrain.
    Die Tür von Prußeits Büro war nur angelehnt. Dr.   Herzlich saß am Schreibtisch und frühstückte. Er schaute auf und gab zur Begrüßung, wie schon zwei Tage zuvor, ein heiseres
     Krächzen von sich. Er schüttelte seinen hageren Vogelkopf, stand auf, wischte sich mit einer Serviette über den Mund, kam
     auf Marthaler zu und reichte ihm die Hand.
    «Schrecklich», sagte er, «der Professor   … das Leben   … schrecklich.»
    Dann wedelte er mit der Hand zum Zeichen, dass der Kommissar sich setzen möge.
    «Danke», sagte Marthaler, «aber ich habe es eilig. Ich bin nur gekommen, um zu hören, ob Sie bereits etwas über Jochen Hielscher
     sagen können. Ich brauche dringend alle Informationen über die näheren Umstände seines Todes.»
    Herzlich ging zurück zum Schreibtisch. Sein Kopf ruckte hin und her, er ließ ein leises Röcheln vernehmen, dann flatterten
     die Finger seiner rechten Hand über einem Stapel mit Unterlagen, aus dem er mit einer blitzschnellen Bewegung einen DIN-A 4-Bogen hervorzupfte.
    «Gedacht», sagte Herzlich, «eilig, eilig. Hier.»
    Marthaler schaute sich das Blatt an. Es zeigte die Skizze eines menschlichen Körpers, der an mehreren Stellen mit roten Kreuzen
     markiert war. Marthaler brauchte einen Moment, bis er verstand, dass es sich bei den Markierungen um die Stichwunden handelte,
     die man Jochen Hielscher zugefügt hatte. Der Zeichnung waren ein paar handschriftliche Zeilen beigefügt, die Marthalers Fragen
     nach dem vermutlichen Todeszeitpunkt, |264| der Tatwaffe und der Todesursache beantworten sollten. Trotzdem fragte er nach.
    «Wenn ich Sie richtig verstehe, können wir davon ausgehen, dass Jochen Hielscher ungefähr zur selben Zeit wie Bernd Funke
     getötet wurde? Plus/minus zwei Stunden?»
    Dr.   Herzlich nickte.
    «Bei der Waffe handelt es sich ebenfalls um ein Messer, möglicherweise um dasselbe?»
    Wiederholtes Nicken.
    «Heißt das auch, dass wir es mit demselben Täter zu tun haben könnten?»
    Wieder ruckte der Kopf des Pathologen einige Male aufgeregt hin und her. Eine Bewegung, die kurz darauf den gesamten Oberkörper
     des Mannes ergriff.
    «Wahrscheinlich», brachte Dr.   Herzlich endlich unter heftigen Kontraktionen seiner Gesichtsmuskulatur hervor. «Mehr als wahrscheinlich   … derselbe Täter   … die Wunden   … der Stichkanal   … dieselbe Handschrift   … kleine Person.»
    Marthaler fragte sich, ob das seltsame Benehmen des Rechtsmediziners auf eine Krankheit zurückzuführen war oder ob es sich
     einfach um eine Häufung persönlicher Marotten handelte. Immerhin war es erstaunlich, dass der Mann zwar keinen vollständigen
     Satz hervorbrachte, dass er aber dennoch in der Lage war, sich unmissverständlich zu äußern. Und Marthaler war froh, nur einen
     Tag nachdem sie Jochen Hielschers Leiche gefunden hatten, so exakte Informationen zu bekommen. Mehr konnte man nicht verlangen.
    Der Pathologe schaute Marthaler geradewegs an, dann öffnete er den Mund und stach sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe,
     als habe er unverzeihlicherweise das Wichtigste vergessen.
    «Die Leiche   …», sagte er. «Wollen Sie sehen? Die Leiche?»
    |265| Marthaler winkte ab.
    «Nein, danke», sagte er. «Die Informationen, die Sie mir gegeben haben, dürften fürs Erste genügen.»
    «Allerdings Vorbehalte   …», sagte Dr.   Herzlich, «…   vorläufige Ergebnisse   … das alles   … endgültiger Bericht in ein paar Tagen.»
    «Ich weiß», sagte Marthaler. «Trotzdem vielen Dank. Sie haben mir sehr geholfen.»
    Dr.   Herzlich zog seinen Kopf noch ein wenig mehr zwischen die Schultern. Auf seinem Gesicht breitete sich eine Art Lächeln aus.
     Aus den Tiefen seines Oberkörpers konnte man ein kleines Glucksen hören. Es sollte wohl, nahm Marthaler an, ein Ausdruck der
     Freude sein.
     
    Er betrat das Präsidium durch den Hintereingang und nahm die Treppe zu Sabatos Kellerverlies. Aus einem der Labors kam leise
     Musik. Marthaler öffnete die Tür. Sabato saß an seinem Schreibtisch vor einem Bildschirm. Mit einer Hand tippte er auf der
     Tastatur, mit der anderen streichelte er die kleine Katze, die auf seinem Schoß saß. Aus einem alten Kassettenrecorder kam
     spanische Volksmusik.
    Marthaler räusperte sich.
    «Sei froh, dass du es bist», sagte Sabato, ohne sich umzudrehen. «Jeden anderen, der mich

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