Ein allzu schönes Mädchen
auf und ab zu laufen.
«Drei junge Männer brechen am Samstagmorgen vergangener Woche in Frankfurt auf, um gemeinsam den Junggesellenabschied des
einen zu feiern: Bernd Funke, Jochen Hielscher, Hendrik Plöger. Als sie am Sonntagabend noch immer nicht zurück sind, ruft
Bettina Fellbacher ihren Bräutigam |276| auf dem Mobiltelefon an. Funke behauptet, mit den anderen in Straßburg zu sein und eine Autopanne zu haben. Am frühen Nachmittag
des nächsten Tages findet ein letztes Telefongespräch zwischen den beiden statt. Wo sich Funke während dieses Telefonats aufgehalten
hat, wissen wir nicht.»
Sabato trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. Doch Marthaler ließ sich nicht irritieren. Er brauchte solche Zusammenfassungen,
um sich selbst zu vergewissern, dass er die Fakten nicht durcheinander brachte. Und er brauchte ein Gegenüber, dem er das
alles erzählen konnte.
«Gegen 15.30 Uhr am Montag wird Funke zum letzten Mal lebend gesehen: an der Tankstelle Schwarzmoor in der Nähe von Bruchsal. In seiner
Begleitung sind eine unbekannte junge Frau und zwei Männer. Wir dürfen davon ausgehen, dass die beiden Männer Hielscher und
Plöger waren. Laut Angaben der Gerichtsmedizin werden Hielscher und Funke noch am Montagabend ermordet. Am Dienstagmorgen
wird Funkes Leiche im Frankfurter Stadtwald an der Kesselbruchschneise gefunden. Nur kurze Zeit später entdeckt der Wachmann
Herbert Weber auf dem Lerchesberg den Einbruch in die Villa Brandstätter. Er ertappt die Einbrecherin auf frischer Tat, lässt
sie aber laufen. Zwei Tage später wird auch Hielschers Leiche anderthalb Kilometer entfernt entdeckt – im Kofferraum des grünen
Fiat Spider, der im Kesselbruchweiher versenkt wurde. Wo Hielscher umgebracht wurde, wissen wir nicht, möglicherweise aber
in dem Wagen.»
Marthaler spürte Sabatos Ungeduld. Der Kriminaltechniker rutschte auf seinem Stuhl hin und her und rührte immer wieder mit
dem Kaffeelöffel in seiner leeren Tasse. Er hatte nur darauf gewartet, dass Marthaler eine Pause machte.
«Um es kurz zu machen», sagte Sabato. «Wir haben vier Personen. Zwei sind tot, zwei sind verschwunden.»
«Und eine davon spurlos», sagte Marthaler. «Denn während |277| das Mädchen immerhin am nächsten Tag noch einmal gesehen wurde, wissen wir über Hendrik Plöger nichts. Wir wissen nicht einmal,
ob er am Montagabend im Wald noch dabei war.»
«Sag nicht spurlos», ermahnte Sabato. «Du musst bedenken, dass wir bislang allenfalls Zeit hatten, die auffälligsten Spuren
zu untersuchen. Schillings Leute haben Berge von Material herbeigeschleppt. Das meiste habe ich nicht einmal angeschaut. Es
könnte durchaus sein, dass wir noch die eine oder andere brauchbare Spur entdecken, wenn wir wissen, auf was wir zu achten
haben.»
«Gut, gehen wir also davon aus, dass Plöger mit im Stadtwald war. Was hat sich dort abgespielt?»
«Jedenfalls etwas, das die Menschen Geschlechtsverkehr nennen.»
«Also eine Vergewaltigung?»
«Vielleicht. Jedenfalls ist das nahe liegend», sagte Sabato. «Es könnte aber auch sein, dass sie freiwillig mit den Männern
geschlafen hat.»
«Mit beiden?», fragte Marthaler.
«Man hat schon von dergleichen gehört. Und wie gesagt, es kann durchaus sein, dass auch Plöger noch mit im Spiel war.»
«Du meinst, sie haben so eine Art Orgie veranstaltet? Aber warum sind zwei der Männer anschließend tot? Eine Orgie, über die
sie irgendwann die Kontrolle verloren haben?»
Sabato zuckte mit den Achseln. Mit einem Mal sah er müde und erschöpft aus. «Ehrlich gesagt, Robert, mein Sexualleben ist
so stinknormal, dass mir für so etwas ganz einfach die Phantasie fehlt.»
«Mir leider auch», sagte Marthaler.
«Zum Glück», erwiderte Sabato.
Marthaler nickte.
«Du hast Recht. Zum Glück», sagte er.
|278| «Immerhin ist nicht auszuschließen, dass dein blonder Sonnyboy hier der Täter ist.»
Sabato tippte mit dem Finger auf das Foto Hendrik Plögers, das immer noch vor ihm auf dem Tisch lag.
«Vielleicht wollten die anderen ihn nicht mitspielen lassen. Vielleicht hat er das Mädchen geliebt. Vielleicht haben Funke
und Hielscher die Kleine zum Beischlaf gezwungen, und Plöger wollte sie schützen.»
Marthaler dachte an das, was er noch am Morgen in Jochen Hielschers Akte gelesen hatte, dass der sich schon als dreizehnjähriger
Schüler einer sexuellen Nötigung schuldig gemacht hatte.
«Oder es ging um ganz etwas anderes. Um Drogen. Um
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