Ein Alptraum für Dollar
verlassen. Ich werde seitdem überall wie ein Tier gehetzt...«
»Und trotzdem behalten Sie das >grüne Dokument«
»Ja. Glauben Sie mir, es ist nicht einfach, es zu behalten. Spione, Verräter, Mörder verfolgen mich überall, wohin ich gehe. Jetzt muß ich auch Ägypten unauffällig verlassen, bestimmt für immer.«
»Aber, Mister Know d’Arcy... Sie können doch nicht immer flüchten! Man wird Sie eines Tages töten!«
»Ich weiß.«
Jetzt schweigen beide Männer. Eine ganze Weile. Bis der junge Pastor ziemlich aufgeregt sagt: »Ich glaube, ich habe eine Idee! Der Schah verbietet den christlichen Missionaren, nach Persien zu gehen. Also... vielleicht könnte man eine Art Tauschhandel mit ihm vereinbaren! Er bekommt das grüne Dokument zurück... und dafür erlaubt er uns, Missionare nach Persien zu schicken. Sie könnten dort ganz sicher vielen armen Menschen helfen... Aber das ist ja nur so eine Idee, wahrscheinlich bin ich sehr naiv.«
»Moment mal... Warum eigentlich nicht? Möchten Sie das Dokument? Ich gebe es Ihnen, wenn Sie es wollen! Vielleicht können Missionare dort tatsächlich Gutes tun.«
Und der alte Mann holt das Geschenk von Muzzafar ad-Din aus seiner Brieftasche. Dem Geistlichen verschlägt es den Atem. Wie vom Donner gerührt steht er jetzt regungslos und kreidebleich vor dem alten, müden William Know d’Arcy.
»Hier! Nehmen Sie es. Für die Missionare...«
Der Pastor, der neue Besitzer der persischen Erdölvorkommen heißt Sydney Relly — auch »The First« genannt —, der beste Agent des Intelligence Service.
Ein paar Monate später, 1907 in New York.
Bevor er sein luxuriöses Büro verläßt, geht der Vizepräsident der »Standard Oil Company« zu dem Tresor, und wie jeden Abend ändert er die Kombination am Schloß. Nur er kennt die geheime Nummer — so glaubt er wenigstens.
Doch schon am nächsten Tag tobt der Präsident der ersten Erdölgesellschaft der Welt. Er heißt John Davison Rockefeller... und er hat Grund zum Toben! In der ganzen amerikanischen Presse ist es schwarz auf weiß zu lesen: Das wortgetreue, unverfälschte Faksimile aller wichtigen Transaktionsunterlagen zwischen der »Standard Oil Company« und... Sydney Relly, der zwar immer noch im Besitz des grünen Dokuments ist, aber es schon an Rockefeller verkauft hat. Das Geschäft ist perfekt, das Dokument mußte nur noch übergeben werden.
Der falsche Pastor war also nicht nur ein Agent, sondern ein Doppelagent, ein Verräter... Der Intelligence Service konnte sich die Hände reiben! Da der Spion entlarvt war und der Skandal wie eine zerstörerische Flutwelle auf den amerikanischen Kongreß hinunterprasselte — und einige der höchsten Senatsmitglieder auch mit sich wegspülte —, konnte sich der Intelligence Service das grüne Dokument ganz legal wieder beschaffen. Und die britische Krone wurde durch die Gründung der damaligen »Anglo-Persian Oil Company« die neue Besitzerin aller Erdölreserven des Iran.
Mit dem »Geistlichen« wurde eines Nachts ganz unauffällig kurzer Prozeß gemacht. Und William Know d’Arcy, der Menschenfreund, der Idealist, kehrte in seine zweite Heimat zurück — nach Persien, wo er allerdings niemals einen Missionar traf.
Das 5. Regiment von Norfolk
August 1915 — der Krieg ist nun schon über ein Jahr alt. Er ist gewachsen und hat sich ausgeweitet: Er tobt nicht mehr nur in Frankreich oder Rußland — weitere Staaten wie Italien und die Türkei haben sich in den Konflikt eingeschaltet. Und auf immer mehr Schlachtfeldern kämpfen Menschen, die aus aller Herren Länder kommen — aus den riesigen Kolonialreichen der kriegführenden Mächte: Senegalesen, Kanadier, Inder, Australier.
Die meisten Soldaten, die sich am 6. August 1915 auf dem britischen Panzerkreuzer »Victorius« befinden, sind Neuseeländer, und das Ziel, das sie ansteuern, ist die türkische Halbinsel Gallipoli!
Diese Operation gehört zu einem umfassenden Plan, den die Engländer sich ausgedacht haben, genauer gesagt Winston Churchill, Erster Lord der Admiralität, Chef des Marineministeriums: Es handelt sich um das berüchtigte Dardanellenunternehmen!
Der Gedanke liegt nahe: Die türkische Dardanellen-Meerenge zwischen dem Marmarameer und dem Ägäischen Meer ist seit eh und je das Tor nach Europa und Asien. Wer sie in der Hand hat, beherrscht den Weg nach Konstantinopel und den Zugang zum Schwarzen Meer.
Auf den Generalstabskarten sieht das alles ganz einfach und prächtig aus, doch an
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