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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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dass jeder Autor, der ihr vorgestellt wird, Sie um den Preis bittet – trotzdem möchte sie mit allen bekannt gemacht werden!»
    « Aber wird der Preis nicht von einem Komitee vergeben?»
    « Ja. Nur möchte sie sich die Kandidaten ansehen. Kommen Sie!»
    Es machte ihr Spaß, Vance den Leuten vorzustellen. Sie erlebte ihn zum ersten Mal in so weltläufiger Umgebung und war neugierig, wie er wirkte, vor allem auf Mrs Pulsifer. Am Ende stellte es sich noch als unterhaltsam heraus, Partys für die«Neue Stunde»zu geben. Nur schade, dass ihr junger Salonlöwe in seinem Smoking unerwartet schwerfällig und gewöhnlich aussah …
    Vance folgte ihr unschlüssig.«Wie ist sie denn?», fragte er, als wäre seine Entscheidung davon abhängig.
    « Wie sie ist? Ich weiß nicht.»Halo zögerte.«Sie ist eigentlich gar kein Individuum, sondern ein Symptom. So nennen Frenny und ich die Leute, die ihr Verhalten ständig ändern. Sie übernehmen es von der Sorte Mensch, die wir als Keimträger bezeichnen und die jeweils die neueste literarische und künstlerische Krankheit aufschnappen und andere damit anstecken. Aber kommen Sie, sie ist furchtbar nett, wirklich.»
    Vance zauderte immer noch.«Meinen Sie, ich mag sie?», fragte er merkwürdigerweise, und Halo lachte und kniff ihre kurzsichtigen Augen zusammen.«Muss man das, auf Partys?»
    « Ich weiß nicht. Ich war noch nie auf einer Party – auf einer solchen.»
    « Wichtig ist doch, dass sie Sie mag.»
    « Warum?»
    Sie zuckte kurz mit den Achseln, und in diesem Augenblick lenkte die goldene Dame ihre Schritte quer durchs Zimmer auf sie zu.«Ihm wird schon bei dem Gedanken schlecht, Halo, ich wusste es!», rief sie.
    « Vance, das ist Mrs Pulsifer. Jet, sei lieb zu ihm – er ist mein ganz spezieller Freund. Gehen Sie mit ihr da drüben in die ruhige Ecke unter dem Buddha, Vance, und erzählen Sie ihr, wie Sie Ihre Geschichten schreiben.»
    Sie stürmte fort zu ihren anderen Gästen, und Vance fand sich mit einem Mal in einem schummrigen Winkel auf einem Diwan neben dieser langen goldenen Frau sitzen, die sich halb verängstigt, halb mitteilsam zu ihm neigte wie ein windbewegter Zweig. Im ersten Augenblick hatte er sich über die Bitte seiner Gastgeberin geärgert. Als er hereinkam, war er sofort zu dem Regal gegangen, aus dem Halo vor ein paar Wochen die Tolstois und Dostojewskis genommen hatte. Daneben, das wusste er noch, standen die Gogols, und einer hieß«Der Mantel», von dem hatten die Kollegen im«Cocoanut Tree»gesprochen. («Der ganze Tolstoi und der ganze Tschechow haben ihren Ursprung im ‹Mantel›», hatten die fortschrittlichen unter ihnen erklärt. Also musste er den«Mantel»lesen.) Kaum war sein Blick auf dieses Regal gefallen, hatte er vergessen, wo er sich befand und dass noch andere Menschen anwesend waren. Er stand da, ließ in jener glücklichen Erregung, die vom Anblick unerforschter Bücherregale hervorgerufen wird, seine Hand über die Buchrücken gleiten, und dann war Mrs Tarrant gekommen und hatte alles zunichtegemacht.
    Doch nun überfluteten ihn ganz neue Empfindungen. Die Nähe dieser seltsamen Mrs Pulsifer, ihr kleines, fieberheißes Gesicht, ihr lässig luxuriöses Kleid, das Parfüm, das ihm entströmte, beschäftigten seine nimmermüde Phantasie. Sie interessierte und erregte ihn als Teil der ungewohnten Umgebung, die er bei seiner Ankunft der fesselnden Bücher wegen kaum wahrgenommen hatte, die nun aber auf ihn eindrang mit all dem Zauber gedämpfter Beleuchtung, matter Farben, zwangloser Begrüßungen und anzüglicher Bemerkungen, junger Frauen, geschaffen für Luxus und Müßiggang, und junger Männer, die sich unbeschwert und ungezwungen zwischen ihnen bewegten. Die Atmosphäre war neu für Vance, und diese Frau, weder jung noch alt, weder schön noch hässlich, aber fremdartig und fern wie eine Statue, herabgestiegen von einer mit Geschichtsdarstellungen geschmückten Palastwand, schien alles zu verkörpern, was an diesem Ort unverständlich und faszinierend war.
    « Das sollten Sie lieber nicht», murmelte sie und sank wieder in sich zusammen, blickte ihn aber unverwandt an.
    « Was sollte ich nicht?», stotterte er verwirrt und verlegen.
    « Mir sagen, wie Sie Ihre Geschichten schreiben, oder überhaupt irgendetwas darüber. Halo ist so leichtsinnig, sie hält keinen Moment inne, um einmal nachzudenken. Natürlich brenne ich darauf, das zu erfahren. Aber die Leute könnten denken … Wissen Sie, ich muss einfach Distanz wahren,

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