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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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Woge von Lobpreisungen, die Tarrant entgegenschlug, wo immer er hinkam. Er war sehr stolz auf seine erste verlegerische Leistung, und seine Genugtuung und sein Stolz veränderten ihn in den Augen seiner Frau.«Ich habe immer gewusst, dass er klüger ist als alle anderen, ihm fehlte nur die Gelegenheit, es zu beweisen», dachte sie, und ihre hungrige Phantasie klammerte sich an alles, was es ihr ermöglichte, an ihn zu glauben. Doch im tiefsten Winkel ihres Herzens flüsterte etwas:«Wie viel lieber würde ich allen anderen zum Trotz an ihn glauben!»
    Eines Tages sagte Tarrant in einer Anwandlung von Selbstzufriedenheit:« Ich finde, du solltest den jungen Weston einmal einladen; wir könnten zum ersten Geburtstag der ‹Neuen Stunde› eine Party geben. Die Leser fragen allmählich nach ihm; sie sind schon gespannt wegen des Pulsifer-Preises», und Halo raffte sich aus einer ihr unerklärlichen Gleichgültigkeit auf und sagte wie ein Echo:«Na ja, wenn du meinst, sicher.»In Wirklichkeit hatte sie den Gedanken an Vance in ihrem Kopf ganz nach hinten verbannt. Schließlich hatte ihr Mann«Die Stunde»wiederbelebt, nicht Vance Weston. Aber das war der Lauf der Welt: Die Leser stürzten sich auf einen guten Artikel in einer Zeitschrift – besonders in einer neuen Zeitschrift – und taten, als wäre dies der wichtigste, wenn nicht sogar einzige Grund für ihren Erfolg. Wo doch das wirkliche Verdienst beim Herausgeber lag, dem leitenden und auswählenden Kopf, in diesem Fall bei dem Mann, der Vance Weston entdeckt und bekannt gemacht hatte, so wie er in Zukunft noch viele andere entdecken und bekannt machen würde. Halo glühte vor Unmut über die Begriffsstutzigkeit des Publikums.

    « Oh, aber natürlich musst du … ich werde ihn dir vorstellen … Aber niemals wird er so etwas denken …»Mrs Tarrant, schlank und lebhaft in einem schwarzen Kleid, dessen weite Ärmel aus Spitze mit den Bewegungen ihrer Arme auf- und abwehten, entfernte sich vom Kamin, wo sie neben einer unverhältnismäßig großen jungen Frau gestanden hatte, deren kleiner, seitlich geneigter Kopf wacklig auf einem langen Hals saß und die unter gesenkten Lidern hervor missbilligend auf das reiche Geglitzer ihres Goldbrokatkleids blickte.
    « Ach, Halo, nein … ich weiß nicht … denkt er dann nicht …? Ich möchte mich doch zurückhalten und ganz unparteiisch bleiben …»
    « Aber das bist du, meine Liebe. Glaubst du denn, jeder junge Schriftsteller, der dir im Lauf des Winters vorgestellt wird, bildet sich ein, du nimmst ihn für den Pulsifer-Preis in Augenschein? »
    « Wie absurd, Halo! Wo doch alles in der Hand des Komitees liegt … Aber ich möchte unbedingt meine Gelassenheit bewahren, meine absolute Unabhängigkeit.»Mrs Pulsifer schleuderte ihr die Worte im Stakkato nach.
    Halo lachte und ging zwischen den Gästen, die sich grüppchenweise über die Bibliothek verteilt hatten, zu der Ecke, wo Vance Weston mit dem Rücken zu allen anderen, in die Betrachtung der Bücherregale vertieft, dastand. Seit er aufgetaucht war, um sich Tolstoi und Dostojewski auszuleihen, hatte sie ihn nicht mehr gesehen bis gerade eben, als er den Raum betreten hatte, und im Lärm und Gefunkel ihrer ersten Abendgesellschaft für die«Neue Stunde»war er wieder zu einer fremden, nebensächlichen Gestalt geworden, war nicht mehr das Wesen, das mit seiner Seele an jenem Abend an die ihre gerührt hatte. Als sie näher trat, dachte sie sogar:«Er ist kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte; seine Schultern sind zu massig … außerdem prügelt er sich wegen Frauen …», als retuschierte sie ein idealisiertes Porträt, das plötzlich mit der Realität konfrontiert wurde.
    « Vance», sagte sie, und er drehte sich erschrocken und verwundert um, als habe er geglaubt, er sei allein. Halo lächelte:« Wir sind hier nicht in The Willows – ich meine», fuhr sie eilig fort, denn sie fürchtete, er könnte ihre Anspielung missverstehen,« Sie sind auf einer Party, und viele Leute wollen Sie kennenlernen, vor allem Mrs Pulsifer.»
    « Mrs Pulsifer?», wiederholte er. Sein Blick kam aus weiter Ferne zurück und verhielt bei seiner Gastgeberin, als würde er sie erst jetzt wiedererkennen.
    « Die den Preis gestiftet hat. Da drüben, in dem goldenen Kleid. Kommen Sie, vor der armen Jet brauchen Sie keine Angst zu haben, die hat selber Angst.»
    « Angst?»
    Halo schob ihren Arm durch den seinen.«Entsetzlich schüchtern, wirklich. Ist das nicht komisch? Sie befürchtet,

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