Ein altes Haus am Hudson River
mit sich selbst. Ihr schien, dass sie beide gleichermaßen die Demütigung verdienten, die ein solcher Moment mit sich brachte.«O Lewis», begann sie,«bitte …»
« Ich will nicht … ich wollte mich nur verständlich machen.»
« Das hast du», murmelte sie. Sie richtete sich auf und trat einen Schritt zurück. Er lehnte immer noch am Türrahmen und blickte sie an.
« In Ordnung», sagte er wieder mit seinem dünnen Lachen.« Dann bleibt es also dabei?»
Sie gab keine Antwort, er wartete noch eine Sekunde und ging dann aus dem Zimmer. Als die Tür zugefallen war, setzte sie sich und lehnte sich mit geschlossenen Augen in ihren Sessel zurück.
Um ihr Erscheinen in Eaglewood an dem Tag, an dem sie eigentlich mit ihrem Mann hätte verreisen sollen, zu rechtfertigen, sagte Halo ihren Eltern, sie sei im letzten Augenblick zu dem Schluss gekommen, dass er seine Arbeit besser ohne sie erledigen könne. Auf einer derart rasanten Reise seine Ehefrau mitzuschleppen sei doch nur lästig! Natürlich habe er ihr das nicht sagen können, aber sein hübsch geheuchelter Kummer über ihre Entscheidung habe ihr gezeigt, wie erleichtert er gewesen sei.« Ihr wisst ja, wie er ist: nie höflicher, als wenn er einen zum Teufel wünscht», rief sie den Eltern ins Gedächtnis und beobachtete lächelnd, wie ihre Fassungslosigkeit zu unbesorgter Gemütsruhe zerschmolz. Es war ja so leicht geworden, die Spears zu beruhigen! Seit für ihre eigenen Bedürfnisse gesorgt war, forderten sie weniger für andere. Mit ein paar tröstenden Worten konnte man Mr Spear hinsichtlich der Behandlung von Lebendködern oder Mrs Spear hinsichtlich der Zukunft der Demokratie in Sicherheit wiegen. Und so war es auch im Fall ihrer Tochter. Mrs Spear, der man noch immer ab und zu versichern musste, dass in der Welt alles in Ordnung sei, klammerte sich sofort an den Gedanken, Halo habe auf die Reise verzichtet, weil wieder«Hoffnung »bestand – endlich! –, weil ihr vielleicht der Arzt abgeraten hatte … Obwohl sich das arme Kind nach den vorangegangenen Enttäuschungen natürlich in Schweigen hüllte. Und Mr Spear rauchte seine guten Zigarren und sagte, nun ja, seine Tochter werde schon wissen, was richtig sei, und im Grunde bewundere er die gegenseitige Toleranz der modernen jungen Leute. Ihre Eltern waren begeistert, dass sie sie nun ganz für sich hatten, das wusste Halo. Tarrant schüchterte sie eher ein; es war leichter, ihn hinter seinem Rücken zu loben, als ihn leibhaftig zu ertragen. Die zwanglose, unbekümmerte, kampflustige Atmosphäre von Eaglewood wurde durch seine Anwesenheit immer abgekühlt, und sie hatten so viele Freunde, die er langweilig oder verrückt fand und die sie nicht einladen konnten, wenn er da war …
Halo kümmerte es nicht, was die Eltern von ihren vorgeschützten Gründen hielten, solange sie sie vorgeblich akzeptierten; sie war zu sehr damit beschäftigt, ihre wahren Gründe zu überprüfen. Sie war aus dem Nebel der Illusion, den sie um ihre Ehe zu weben versucht hatte, endlich zum grellen Tageslicht durchgedrungen. Das Gespräch mit Lewis war ein Wendepunkt gewesen, die unvermeidliche Inventur. Niemals würde sie ihn mehr anders sehen, als er war, aber ebenso unvermeidlich sah sie sich selbst lebenslänglich an ihn gekettet.
Ja, sie war ihm zu Dank verpflichtet, aber die Tatsache, dass er sie daran erinnert hatte, würde ihr diese Verpflichtung immer vor Augen halten. Die neuen Teppiche in Eaglewood, die Wohnung der Spears in New York, Mrs Spears schwarzes Samtkleid, Mr Spears Zigarren, das Geld für Lorrys Bühnenexperimente – das waren die Glieder ihrer Kette. Die hielten sie so fest, als gäbe es so etwas wie Scheidung nicht. Denn jetzt wusste sie, dass Lewis’ Großzügigkeit (jaja, er war großzügig!) nicht von Herzen kam, sondern aus dem Kopf. Er wollte Halo haben, sie gefiel ihm, er hatte sie sich gekauft. Romantischer war es nun mal nicht. Und als Gentleman zahlte er pünktlich die jährlichen Abgaben für seine Anschaffung und würde sie weiterzahlen, solange sie ihm gefiel. Ihre Aufgabe war es, ihm weiterhin zu gefallen, denn an dem Tag, an dem sie ihm nicht mehr gefiel, würde der Haushalt der Spears zusammenbrechen …
Der Gedanke jagte ihr Angst ein, und sobald Lewis sicher auf See war, begann sie zu überlegen, wie sie ihn wieder versöhnlich stimmen konnte. Wenn er nicht da war, schien alles ganz einfach. Seine kalte Unvernunft ließ sie im ersten Augenblick immer verstummen und reizte sie dann
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