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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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Sie zu sehen. Ich meine, den Vance von Rebecca», korrigierte sie sich lächelnd.
    « Nicht Ihren Vance?», fragte er errötend.
    « Nein, den würde ich lieber an einem ruhigen Abend bei mir zu Hause sehen. Wann bringen Sie mir die nächsten Kapitel?»
    « Jederzeit», stammelte er, ganz schwindlig vor Glück, und sie nannte ein Datum, dem er natürlich zustimmte, wie er jedem anderen zugestimmt und dafür sämtliche sonstigen Verpflichtungen über den Haufen geworfen hätte. Er war übermütig und wie benommen vor Vorfreude, während er beobachtete, wie sie mit Frenside in der Menge verschwand.
    Als er sich endlich aus der Verzauberung löste, fiel ihm ein, dass Laura Lou irgendwo in der Galerie war. Er suchte sie, fand sie aber nirgends und kam schließlich, wenn auch etwas skeptisch, zu dem Schluss, dass sie wohl mit Mrs Pulsifer fortgegangen war. Das sah ihr gar nicht ähnlich – aber er hatte entdeckt, dass Laura Lou oft tat, was ihr nicht ähnlich sah, und dass er in Wirklichkeit fast nichts über die geheimen Ursprünge ihrer Handlungen und Gefühle wusste. Er dachte nicht lange darüber nach, Herz und Hirn waren noch immer erfüllt von dem Gedanken an Mrs Tarrant. In zwei Tagen würde er sie wiedersehen, ein ruhiger Abend, hatte sie gesagt. Das hieß, er und sie allein unter der Lampe in diesem stillen, besinnlichen Zimmer, das so ganz anders war als alle anderen, ein Zimmer, in dem sogar die Wände zu denken schienen. Sie würden dort allein zusammensitzen, während die Holzscheite knisterten und zerfielen, er würde ihr seinen neuen Text vorlesen, und sie würde regungslos und schweigend dasitzen, das Kinn in die Hand gestützt, den langen Arm vom Lampenlicht modelliert, und auch wenn sein Blick auf dem Papier ruhte, würde er ihre Hand und ihren Arm sehen, und ihre Nähe würde sich ihm in Körper und Geist brennen.
    Er stahl sich aus der Galerie und fand sich unten auf der Straße wieder. Das Wetter war umgeschlagen, es war sehr kalt geworden, und die Wolkenkratzer schickten einen rauen Wind in die Straßenschluchten zu ihren Füßen. Vance dachte an den Märzschneesturm, der nach einer solch milden Periode über den Hudson gefegt war, und dieser Gedanke brachte ihn auf die Frage, ob Laura Lou vor dem Wetterumschwung sicher nach Hause gekommen war. Der hübsche Mantel mit dem hellen Pelz war ein sommerliches Kleidungsstück, sie hatte es nur deshalb angezogen, weil es ihr Bestes war, überlegte er, und sie durfte sich nicht wieder erkälten. Aber sein Kopf war zu voll von erregenden Gedanken, als dass dieser eine ihn hätte beherrschen können. Er war gleichzeitig zu glücklich und zu besorgt, um lang bei etwas zu verweilen, und er wandte sich westwärts und schlug den Weg zum Park ein, in der Hoffnung, seine drängenden Gedanken durch gleichmäßiges Gehen zur Ordnung zu zwingen.
    Die Begegnung mit Bunty Hayes hatte ihn zutiefst empört. Diese Art liederlicher Gutmütigkeit war nur eine Karikatur der oberflächlichen Toleranz und moralischen Wurstigkeit der meisten Menschen, die seinen Weg kreuzten. Für sie hatte nichts anderes Bedeutung, als vorwärtszukommen, sich nach vorn zu schieben und die anderen auszuschalten. Da war nun dieser Hayes, ein Mann, der allen Grund hatte, ihn zu hassen – oder dies zumindest glaubte –, der seine Frau liebte und deshalb auf ihn eifersüchtig sein musste, doch seine primitiven Gefühle waren vom ständigen Bemühen, weiterzukommen und im täglichen Kampf ein paar Zoll an Boden zu gewinnen, so in den Hintergrund getreten, dass sie durch bloße Willensanstrengung ganz unterdrückt werden konnten, wenn dies für ihn von Vorteil war. Während Vance gegen den schneidenden Wind anstapfte, legte sich auch seine Wut, aber aus einem anderen Grund. Der wirkliche Hayes wurde allmählich aufgesogen und in Material für sein Buch umgewandelt; aus einem ordinären, verachtenswerten Mann wurde das groteske Symbol der nationalen Sinnlosigkeit … Dann nahm Vance seinen eigenen Fall unter die Lupe. Er hatte nicht nachgegeben, er hatte versucht, auf eigenen Füßen zu stehen, seine geistige Redlichkeit zu bewahren. Und wo war er? Was war er? Der umschmeichelte und beneidete Autor der jüngsten literarischen Sensation, eines erfolgreichen Erstlingsromans; doch persönlich war er ein unglückliches, ohnmächtiges Geschöpf, arm, hungrig, verschuldet, der verstörte Leibeigene genau der Menschen, die er verachtete, der Menschen, die alles und jeden opferten, um voranzukommen.
    Dabei

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