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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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gelassen …»
    « Er ist mein Arbeitgeber. Ich hab dir schon hundertmal gesagt …»Seine Stimme wurde laut vor Zorn, aber er bezwang sich und beschloss, sich von ihr nicht in einen weiteren Streit über dieses abgedroschene Thema verwickeln zu lassen. Sollte sie doch denken, was sie wollte – ihr etwas zu erklären war zwecklos. Um sie abzulenken, fragte er ironisch:«Vermutlich hast du auch mit Hayes über mich gesprochen?»
    Röte überzog ihr Gesicht und färbte ihre Wangenknochen mit den bekannten fiebrigen Flecken.«Ich hab mit niemand über dich gesprochen – nicht so, wie du meinst.»
    « Aber du hast doch mit Hayes geredet, stimmt’s?»
    Sie blickte ihren Mann halb verstohlen, halb unwillig an.«Er war fast der Einzige, den ich dort kannte. Natürlich hab ich mit ihm geredet. Ich hab nicht gewusst, dass du das nicht willst.»
    Vance schwieg. Seit der Versöhnung in Paul’s Landing hatte er mit seiner Frau nie mehr über Hayes gesprochen. Damals hatte sie als Antwort auf seine kurze Befragung schluchzend zugegeben, dass Hayes bereit sei, sie zu heiraten, wenn er, Vance, sie nicht mehr haben wolle. Hayes hatte anscheinend alles mit Mrs Tracy abgemacht, und Laura Lou war drauf und dran gewesen, einzuwilligen, weil sie überzeugt war, dass ihr Mann sie nicht mehr liebte und sie mit«dieser anderen Frau»betrogen hatte.
    Als er sie damals so weich und ausgeliefert an seiner Brust liegen spürte und ihre Verzweiflung sah, hatte Vance im Bewusstsein seiner eigenen Fehler diese nebensächlichen Machenschaften beiseitegeschoben und ihr geschworen, sie würden zusammen ein neues Leben beginnen. Von diesem Tag an hatte er sie nie mehr nach Hayes gefragt und den Namen bewusst vermieden. Selbst damals hatte er das Gefühl, dass das Band zwischen ihm und Laura Lou zu schwach war, um auch nur der kleinsten Belastung standzuhalten … Doch jetzt stachelte ihn der Selbsterhaltungstrieb zur Grausamkeit an; er, der nie grausam war, wollte seiner Frau wehtun.«Siehst du Hayes oft? Kommt er hierher? Das ist genau so einer, der hinter dir herschleicht, wenn er weiß, dass ich in der Redaktion bin …»Wie dumm diese Worte klangen, kaum hatte er sie ausgesprochen! Wie wenig hatten sie zu tun mit dem eigentlichen Riss in seiner Beziehung zu Laura Lou!
    Sie zögerte einen Augenblick, dann sagte sie einfach:«Seit wir hier sind, hab ich nur einmal mit ihm geredet, als ich ihn zufällig auf der Straße getroffen habe.»
    « Jaja, ist schon in Ordnung, ich wollte nicht… ich bin ja kein Kerkermeister, er kann dich hier besuchen, sooft du willst», knurrte er unentschlossen und etwas beschämt.
    « Als ich vorher in der Galerie mit ihm gesprochen hab», fuhr sie fort,«hab ich mich nur bedankt für die netten Worte über dich am Anfang.»
    « Die netten …?», wiederholte Vance und vergaß vor sprachloser Verblüffung, was dem vorangegangen war.
    Sie machte ein erstauntes Gesicht.«Fandest du das nicht nett?»Sie lächelte ein wenig, sie klang überzeugt und dennoch versöhnlich.«Manchmal glaub ich, du merkst gar nicht, dass du berühmt bist, Vanny. Du bist es aber, hat er gemeint, und er hat’s auch den ganzen Leuten da gesagt. Ich fand’s schön, was er gesagt hat.»
    Einen Augenblick lang glaubte Vance, sie mache sich über ihn lustig, räche sich mit dieser plumpen Hänselei für die vermeintliche Vernachlässigung. Aber sie war unfähig zu Ironie; er merkte, dass sie Hayes’ Ansprache tatsächlich als Huldigung an das Genie ihres Mannes aufgefasst hatte.
    « Was er über mich gesagt hat – dieser himmelschreiende Quatsch? Das war eine Beleidigung, sonst nichts! Und ein Haufen Lügen: Plustert sich vor all diesen Leuten damit auf, dass er mich schon als Kind gekannt hätte! Lieber Gott – du hast dich bei ihm dafür bedankt, dass er mich für alle Zeiten lächerlich gemacht hat?»
    Ihre Unterlippe begann zu zittern, und Kummer verschattete wie ein Schleier ihr Gesicht.«Alles, was ich mache, ist falsch. Ich hab doch nicht gewusst, dass du nicht willst, dass ich mit ihm rede, wenn wir uns sehen.»
    « Ich habe dir ja gesagt, du kannst mit ihm reden, soviel du willst. Mir ist nur ein Rätsel, warum du nicht merkst, dass er sich in aller Öffentlichkeit über mich lustig gemacht hat.»
    Ihr Mund wurde schmal und rachsüchtig.«Das hat schon diese Büste geschafft. Ich war ihm dankbar, dass er getan hat, was er konnte, damit die Leute dich anschauen und nicht dieses Ding.»
    « O Gott», stöhnte Vance. Er wandte sich ab

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