Ein amerikanischer Thriller
Dabei kam es zum Diebstahl gewisser Bilder
sowie gewisser Bücher, in denen angeblich die Gelder der
606
Teamsterpensionskasse verbucht waren. Der Dieb war als
Informant für einen Chicagoer Agenten des Top-Hoodlum-
Programms namens Court Meade tätig und hat die Bücher
Meade übergeben, sobald er begriff, daß die Bilder zu bekannt
waren, um verkäuflich zu sein. Meade ist im Januar an einem
Herzschlag verstorben und hat die Bücher mir vermacht. Er
hat mir mitgeteilt, daß er sie niemand anderem gezeigt hat,
und meiner Meinung nach wollte er sie bei Gelegenheit ei-
nem Mitglied der Giancana-Organisation verkaufen. Einige
Seiten sind herausgerissen, aber abgesehen davon scheinen
sie intakt zu sein. Ich habe sie Ihnen gebracht, weil ich weiß,
wie nahe Sie Mr. Hoffa und den Teamstern stehen.«
Marcello fiel der Unterkiefer runter. Pete brach das Bil-
lardqueue entzwei.
Er hatte in Houston vierzehn Seiten herausgerissen. Sämt-
liche Kennedy-Eintragungen beseitigt.
Marcello reichte ihm die Hand. Littell küßte den großen
Diamantring, als handele es sich um den Papst.
607
66
(Anniston, 11. 4. 61)
Wählerregister und Steuerbescheide. Analphabetentests und
Zeugenaussagen.
Vier mit Papieren zugekleisterte Pinnwände – systematische
Unterdrückung schwarz auf weiß, in Schreibmaschinenschrift.
Das Zimmer war klein und armselig. Das Wigwam Motel
war nicht gerade das St. Regis.
Kemper arbeitete eine Klage wegen Stimmrechtsverwei-
gerung aus. Auf der Grundlage eines Analphabetentests und
einer Zeugenaussage.
Delmar Herbert Bowen war ein Neger, am 14. 6. 19 in
Anniston, Alabama geboren. Er konnte lesen und schreiben,
und war, eigenen Angaben zufolge, eine »leidenschaftliche
Leseratte«.
Am 15. 6. 40 wollte sich Mr. Bowen als Wähler eintragen
lassen. Der Beamte wollte wissen, ob er lesen und schreiben
könne.
Mr. Bowen bewies, daß er das sehr wohl konnte. Wor-
aufhin ihm der Beamte, in der ausdrücklichen Absicht, ihn
durchfal en zu lassen, Fragen über Differentialrechnung stel te.
Mr. Bowen konnte die Fragen nicht beantworten. Wor-
aufhin Mr. Bowen das Stimmrecht verweigert wurde.
Er hatte den Schreibtest von Mr. Bowen beschlagnahmt.
Er war zu dem Schluß gekommen, daß der Beamte in An-
niston die Ergebnisse gefälscht hatte.
608
Der Mann behauptete, Mr. Bowen wisse nicht, wie man
»Hund« und »Katze« buchstabiere. Mr. Bowen sei nicht be-
kannt, daß Geschlechtsverkehr zur Schwangerschaft führen
könne.
Kemper heftete Seiten zusammen. Die Arbeit langweilte
ihn. Das Bürgerrechtsmandat der Kennedys war für seinen
Geschmack nicht mutig genug.
Er war mehr für Kanonenbootdiplomatie.
Er hatte sich gestern in der Kantine ein Sandwich gekauft.
Aus purem Übermut im Teil für Farbige.
Darauf hatte ihn so ein Kerl als »Niggerfreund« beschimpft.
Er hatte ihn mit ein paar Karatehieben zu Brei verwandelt.
Gestern nacht hatte man seine Tür beschossen. Einem
Schwarzen zufolge hatte der Klan einen Häuserblock weiter
ein Kreuz angezündet.
Kemper schloß die Bowenakte. In fliegender Eile – er
mußte in drei Stunden bei John Stanton in Miami sein.
Den ganzen Vormittag über brachten Anrufe seinen Ter-
minplan durcheinander. Bobby rief an und wol te eine Klage
vorgezogen haben; Littel ließ seine neueste Atombombe platzen.
»Ich habe Kopien gemacht, Kemper«, sagte Ward. »Und
die eidesstattlichen Erklärungen über deine verdeckte Er-
mittlung und Joe Kennedys Missetaten bleiben gegen alle
Eventualitäten gesichert. Und ich würde es zu schätzen wissen,
wenn du Pierre Le Grand vermitteln könntest, daß er mich
besser nicht tötet.«
Er rief Pete auf der Stelle an. »Daß du ja nicht Littell
umlegst«, sagte er, »oder Carlos sagst, daß seine Geschichte
Quatsch ist.«
609
»Ich bin doch nicht blöd«, sagte Pete. »Ich bin so lang
im Geschäft wie du.«
Littell hatte sie beide hereingelegt. Na und – aus den
Büchern ließ sich allenfalls langfristig Profit schlagen.
Kemper ölte die .45er. Bobby wußte, daß er sie trug – und
lachte ihn deswegen aus.
Er hatte sie auch zu den Inaugurationsfeierlichkeiten ge-
tragen. Er hatte Bobby auf dem Weg zur Parade abgefangen
und erklärt, daß er mit Laura Schluß gemacht habe.
Auf Jack stieß er bei einem Empfang im Weißen Haus.
Das war das erste Mal, daß er ihn »Mr. President« nannte.
Jacks erstes Dekret als Präsident: »Für heute nacht ein paar
Mädchen auftreiben.«
Kemper fand
Weitere Kostenlose Bücher