Ein amerikanischer Thriller
nicht
vorenthalten.
»John …«
Stanton kam zu Atem. »Tut mir leid, aber ich habe nie
gedacht, daß die Unentschlossenheit eines Präsidenten derart
gottverdammt komisch sein kann.«
»Was soll ich ihm denn sagen?«
»Wie wär’s mit ›Die Invasion ist die Garantie für Ihre
Wiederwahl‹?«
Kemper lachte. »Ich muß in Miami Zeit totschlagen. Ir-
gendwelche Vorschläge?«
»Ja, zwei.«
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»Lassen Sie hören. Und sagen Sie mir, wieso Sie mich
sehen wollten, wo Sie doch wußten, daß ich in Alabama
mit Arbeit eingedeckt bin.«
Stanton goß sich einen kleinen Scotch ein und verdünnte
ihn mit Wasser. »Der Bürgerrechtsjob muß recht belastend
sein.«
»Eigentlich nicht.«
»Ich empfinde das Stimmrecht für Neger als durchaus
zwiespältigen Segen. Sind die nicht sehr autoritätsgläubig?«
»Eindeutig weniger fügsam als unsere Kubaner. Und bei
weitem nicht so kriminell.«
Stanton lächelte. »Aufhören. Bringen Sie mich nicht wie-
der zum Lachen.«
Kemper schwang die Füße aufs Geländer. »Ich glaube,
daß Ihnen ein bißchen Lachen gut tut. Die CIA hält Sie
ganz schön auf Trab, und Sie trinken schon mittags um
eins Scotch.«
Stanton nickte. »Allerdings. Jeder, von Mr. Dulles an-
gefangen, möchte genau wie ich in den nächsten fünf Mi-
nuten mit der Invasion beginnen. Und um auf Ihre erste
Frage zurückzukommen, so stellen Sie bitte in den nächsten
achtundvierzig Stunden realistisch klingende Informationen
über die Bereitschaft unserer Truppen zusammen, die dem
Präsidenten vorgelegt werden können, und fahren Sie mit
Fulo und Néstor Chasco durch unser Kadergebiet. In Miami
können wir am ehesten feststel en, was man auf den Straßen
so redet, und Sie sol en herausfinden, wie weit und wie genau
sich die Gerüchte über eine bevorstehende Invasion unter
den Kubanern verbreitet haben.«
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Kemper mixte sich einen Gin Tonic. »Ich mache mich
gleich an die Arbeit. Noch was?«
»Ja. Die CIA will eine ›Exilregierung‹ einsetzen, die wir
während der eigentlichen Invasion in Blessington unterbringen
wollen. Es geht hauptsächlich um die Wahrung des Scheins,
aber wir sollten zumindest so tun, als ob wir eine allgemein
akzeptierte Führung präsentieren könnten, wenn wir Castro
in, sagen wir, drei oder vier Tagen nach Invasionsbeginn
gestürzt haben.«
»Und ich soll Ihnen sagen, wer dafür meiner Meinung
nach in Frage kommt?«
»Genau. Ich weiß, daß Sie sich mit kubanischer Exilpolitik
nicht speziel auskennen, aber Sie werden im Kader dies und
das gehört haben.«
Kemper tat, als versinke er in tiefes Nachdenken. Ruhig
bleiben, soll er warten – Stanton warf die Hände nach oben.
»Na, kommen Sie schon, ich habe nicht verlangt, daß Sie
gleich in eine gottverdammte Trance versinken müssen –«
Kemper blickte auf – hellwach und präsent. »Am besten
für uns geeignet wären rechtsextreme Kubaner, die ohne wei-
teres zur Zusammenarbeit mit Santo und anderen Freunden
in der Firma bereit sind. Wir brauchen einen Strohmann
an der Spitze, der für Ordnung sorgen kann, und die ku-
banische Wirtschaft läßt sich am ehesten wieder in Gang
bringen, wenn die Casinos wieder mit Profit arbeiten. Wenn
die Lage auf Kuba unsicher bleibt oder wenn die Roten den
Laden wieder übernehmen, sollten wir nach wie vor in der
Lage sein, die Firma um finanzielle Unterstützung angehen
zu können.«
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Stanton legte die Hände um die Knie. »Von Kemper
Boyd, dem Bürgerrechtler, hätte ich mir einen progressive-
ren Vorschlag erhofft. Und Sie wissen bestimmt, daß die
Spenden unserer italienischen Freunde nur einen geringen
Prozentsatz ausmachen, gegenüber dem legal von der Regie-
rung finanzierten Budget.«
Kemper zuckte mit den Schultern. »Kubas Solvenz hängt
vom amerikanischen Tourismus ab. Dafür kann die Firma
sorgen. United Fruit ist jetzt aus Kuba draußen, und nur
ein bestechlicher Rechtsextremer wird es auf sich nehmen,
ihr Eigentum wieder zu reprivatisieren.«
»Weiter«, sagte Stanton. »Sie haben mich schon fast
überzeugt.«
Kemper stand auf. »Carlos hält sich gemeinsam mit mei-
nem Rechtsanwaltsfreund im Lager in Guatemala auf. In
ein paar Tagen wird Chuck ihn nach Louisiana ausfliegen
und verstecken, und wie ich höre, soll er mit jedem Tag ein
überzeugterer Anhänger der exilkubanischen Sache werden.
Ich setze auf das Gelingen der Invasion, gehe aber davon
aus, daß in Kuba eine ganze Weile das Chaos regiert.
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