Ein amerikanischer Thriller
Wen
immer wir einsetzen, wird sich einer genauen Überprüfung
durch die Öffentlichkeit stellen müssen, das heißt, sich vor
der Öffentlichkeit verantworten müssen, wobei wir beide
wissen, daß die CIA genauestens beobachtet werden wird, was
die Möglichkeit, jenen Teil der Aktion, der unter der Decke
bleiben sol te, abzustreiten, stark einschränkt. Dann sind wir
auf den Kader angewiesen und wahrscheinlich noch auf ein
halbes Dutzend weiterer Gruppen, die genauso skrupellos
und selbständig wie der Kader vorgehen können, und diese
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Gruppen müs en unbedingt privat finanziert sein . Unser neuer
Führer wird eine Geheimpolizei benötigen, und die wird ihm
von der Firma gestellt, und sollte er in seiner proamerika-
nischen Haltung nachlassen, wird ihn die Firma erledigen.«
Stanton stand auf. Er strahlte – schien fast zu fiebern.
»Letztlich liegt die Entscheidung nicht bei mir, aber Sie
haben mich rumgekriegt. Und wenn die Argumentation auch
nicht so blumig war wie die Antrittsrede Ihres jungen Chefs,
war sie, in politischer Hinsicht, um einiges gescheiter.«
UND PROFITORIENTIERTER –
»Danke«, sagte Kemper. »Es ist mir eine Ehre, mit John
F. Kennedy verglichen zu werden.«
Fulo fuhr. Néstor redete. Kemper beobachtete.
Sie fuhren kreuz und quer durchs Kadergebiet, an Slums
und Sozialwohnungsblocks vorbei.
»Schickt mich nach Kuba zurück«, sagte Néstor. »Ich
werde Fidel von einem Hausdach aus erschießen. Ich werde
der Simón Bolívar meines Landes sein.«
Fulos Chevy war mit Rauschgift beladen. Pulver staubte
aus den Plastiktüten und legte sich wie Mehl auf die Sitze.
»Schickt mich als Boxer nach Kuba zurück«, sagte Néstor.
»Wie Kid Gavilan werde ich Fidel mit Fausthieben zu Tode
prügeln.«
Aus blutunterlaufenen Augen wurden sie angeschaut – die
Junkies der Gegend kannten den Wagen. Säufer bettelten um
eine milde Gabe – Fulo war für sein weiches Herz bekannt.
Fulo nannte es seinen Marshall-Plan. Fulo behauptete,
mit seinen Spenden ergebene Anhänger zu gewinnen.
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Kemper beobachtete alles.
Néstor stoppte an allen Umschlagplätzen und verkaufte
abgepackte Mengen Stoff. Fulo überwachte die Transaktionen
Gewehr bei Fuß.
Kemper beobachtete.
»Schickt mich als Taucher nach Kuba zurück«, sagte Néstor.
»Ich spieße Fidel Castro mit einer Harpune auf.«
Fulo fuhr von Darktown nach Poquito Habana.
Gesichter verblaßten von Schwarz zu Braun. Das Farben-
gewirr wurde von Pastelltönen abgelöst.
Pastellfarbene Kirchen. Pastellfarbene Tanzclubs und Bo-
degas. Männer in pastellfarbenen Hemden.
Fulo fuhr. Néstor redete. Kemper beobachtete.
Sie fuhren an Männern vorbei, die auf Parkplätzen zockten.
Sie fuhren an Rednern auf Seifenkisten vorbei. Sie fuhren
an zwei Kids vorbei, die einen Bart-Fan zusammenschlugen,
der Handzettel austeilen wollte.
Kemper beobachtete alles.
Fulo glitt die Flagler entlang und tauschte Prostituierten-
straßenklatsch gegen Bares.
Einem Mädchen zufolge war Castro schwul. Einem ande-
ren Mädchen zufolge hatte er einen 30-Zentimeter-Chorizo.
Alle Mädchen wollten vor allem eines wissen: Wann findet
die große Invasion nun endlich statt?
Ein Mädchen wollte das Gerücht in Blessington
gehört haben. Geht die große Invasion nicht nächste
Woche los?
Einem Mädchen zufolge wollte man Atombomben auf
Guantánamo abwerfen. Ein Mädchen widersprach – auf
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Playa Girón. Ein Mädchen behauptete, bald würden flie-
gende Untertassen in Havanna landen.
Fulo fuhr. Néstor befragte Spics auf der Flagler.
Alle hatten sie gerüchteweise von der Invasion gehört.
Alle gaben die Gerüchte genüßlich weiter.
Kemper schloß die Augen und lauschte. Immer wieder
verstand er einzelne Worte in dem spanischen Redefluß.
Havanna, Playa Girón, Baracoa, Oriente, Playa Girón,
Guantánamo, Playa Girón, Guantánamo.
Kemper verstand eines:
Die Leute quatschten.
Rekruten auf Urlaub quatschten. Strohmänner in CIA-
Diensten quatschten. Gerüchte, Schwachsinn, Wunsch-
phantasien – man braucht sich nur genügend Invasionsorte
auszudenken, dann stößt man ganz zufällig auch auf den
richtigen.
Das Gerede stellte ein gewisses Sicherheitsrisiko dar.
Das Fulo kaum zu berühren schien. Néstor zuckte nur
die Achseln.
Kemper stufte das Problem als »begrenzbar« ein.
Sie fuhren durch Seitenstraßen der Flagler.
Fulo überwachte den Taxifunk. Néstor dachte sich Mög-
lichkeiten aus, Fidel Castro zu
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