Ein Ami in Tirol
versöhnlichem Ton. »Ich mag es nur nicht, wenn einer daherkommt und herummeckert. Wir sind jedenfalls froh, dass Mister Brown gerade uns ausgesucht hat. Es ist eine Ehre für uns.«
»Ich gönn euch diese Ehre«, sagte Christian mit unverhohlenem Spott. Dann ging er zur Tür. »Vielleicht sehen wir uns ja trotzdem auf dem Fest?«
»Warten wir's ab«, gab Eva zurück und verwendete damit beinahe die Worte, die er ihr gegenüber am Gartenzaun gebraucht hatte.
Nach dem Frühstück war Mr. Brown ins Dorf gegangen. Zu dieser Stunde spielte sich das Leben noch im Inneren der Häuser ab, denn der große Festumzug mit Schützenkapelle und Trachtenverein fand erst am Nachmittag statt. Er sollte sich zweimal die Dorfstraße hinauf und herunter bewegen und endete dann auf dem Festplatz.
Gemächlich schlenderte der Amerikaner durchs idyllische Dörfchen. Wenn ihm jemand begegnete, so grüßte man sehr respektvoll, ja, beinahe ehrfürchtig.
Schließlich stand James Brown vor dem kleinen Metzgerladen der Witwe Mutzenberger. In dem beinahe winzigen Schaufenster gab es ein paar Wurstdosen und ein künstliches Schweinchen zu sehen. Dies alles betrachtete James Brown mit einem leisen Schmunzeln. Dann aber trat er entschlossen zur Haustür. Es gab ein Klingelschild, auf dem der Name der Witwe zu lesen war. Entschlossen drückte der Amerikaner den Klingelknopf. Drinnen im Haus schrillte es laut, und nicht lange darauf ließen sich schlurfende Schritte vernehmen.
»Herrschaftsseiten noch einmal, hat man denn nicht einmal am heiligen Sonntag seine Ruhe«, schimpfte eine dem Mann wohlbekannte Stimme hinter der Tür, ehe sie schließlich geöffnet wurde.
»Oh, Jesses!«
Mehr konnte Frau Barbara Mutzenberger nicht sagen. Sie trug ihren geblümten Schlafrock, der sicherlich schon bessere Tage gesehen hatte. Die Füße steckten in ausgetretenen Pantinen.
»Oh, Jesses, der Herr Mr. Brown«, stammelte Barbara.
»Liebste, verehrteste Madame«, begann Brown. »Ich habe einen kleinen Trip durch die Ortschaft gemacht und mir gedacht, ich mache gleich einen Besuch bei Ihnen. Sie sind die erste!«
»Oh, Jesses«, sagte sie wieder. Ihr rundes Gesicht wurde brandrot. »Da kommen S' aber schnell herein. Und entschuldigen S' bittschön. Ich hab's ja nicht ahnen können. Liebe Zeit, wenn ich's doch nur gewusst hätte. Ich muss mich anziehen. Das geht geschwind!«
Sie schleuste ihn in die mit allmöglichem Nippes versehene Wohnstube und drückte ihn dort in einen Sessel, dessen Nackenlehne ein Spitzenkissen mit der Aufschrift »Nur ein Viertelstündchen« zierte.
»Es geht ganz geschwind«, versicherte sie und kam, wohl ihrer Pfunde wegen, nun mächtig ins Schnaufen.
Brown nahm sich in aller Gemütsruhe eine schlanke Zigarre aus der Westentasche, zwinkerte ihr zu und lehnte sich in den knarrenden Sessel zurück. Er rauchte mit genussvollen Zügen, während Frau Barbara in ihrer Schlafstube eilig Hand an sich legte.Sie erschien zehn Minuten später. Der grelle Lippenstift war wieder zu Ehren gekommen. Jahrelang hatte Barbara keine Gelegenheit gehabt, ihn zu benutzen. Das rosige Puppengesicht war von einem imposanten Lockengebirge überthront, und sie trug ein wallendes Dirndlkleid mit einer schillernden Seidenschürze.
»Sie sehen bezaubernd aus, liebe Frau Barbara!«
»Nicht doch«, wehrte sie mit einem verlegenen Lächeln ab. »Lassen S' doch die Frau weg und sagen S' einfach Barbara zu mir. Mein Mann, Gott hab' ihn selig, hat immer Barbi zu mir gesagt!«
»Oh!«, rief James Brown. »Wie die berühmte Puppe!«
»Ja, freilich. Ich hab' ihr auch ganz gleich g'schaut. Aber die gute Wurst. Na ja, Sie wissen schon?«
Ein bissel derb aber doch recht freundschaftlich knuffte sie ihn in die Seite und lächelte ihn dabei ganz sonnig an. Man sah ihrem Gesicht an, wie glücklich sie über diesen Besuch war.
»Wenn ich Sie Barbi nenne, dann mussen Sie unbedingt James zu mir sagen«, verlangte er nun.
Ihr nicht unhübsches Gesicht nahm noch mehr Farbe an.
»Ich darf - ich mein, ich soll ...?«
»Aber gewiss!«, rief James. »Wir sind doch beinahe schon Freunde, oder nicht?«
Sie setzte sich, weil sie sich setzen musste.
»Wie schön Sie das sagen«, meinte sie andächtig und legte ihre Hände zusammen, als stünde sie in der Kirche vor dem Hochaltar. »Lang hab' ich keine so schönen Worte mehr gehört. Ach Gott ja, wenn man so einsam ist ...«
»Einsamkeit muss nicht sein, liebe Barbi«, sagte der Amerikaner charmant und mit
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