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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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Gustafsson mobilisiert er in Westberlin deutsche Freunde zu einem Protest; er und Lars, also die Freunde aus der Zeit des Untergangs und Falls der Schwestern Rothvik, sitzen gemeinsam mit Hans Magnus Enzensberger in dessen Wohnung in Berlin und setzen ein Schreiben auf, das anschließend von Enzensberger, Uwe Johnson, Günter Grass, Heinrich Böll und Max Frisch unterzeichnet wird. In Enzensbergers kühler, ironischer und schonungsloser Prosa werden Palme peinliche Fragen nach seiner Verantwortung für die Erodierung von Schwedens demokratischer Verlässlichkeit gestellt.
    Olof Palme, dem sein internationales Ansehen extrem wichtig ist, wird auch wirklich wahnsinnig und geht an die Decke. Die diskrete Mitwirkung der beiden Schweden wird natürlich verschwiegen.
    Es ist, von seiner sicheren Position an der Peripherie aus gesehen, eine gelungene Operation, die ihm ein gewisses Unbehagen verursacht. Er fühlt sich gespalten. Dass die extreme Linke die IB-Affäre liebt, ist eine Sache, aber er selbst kann sich nicht darüber freuen, hinterrücks gegen Palme zu agieren.
    Im Verlauf des Herbstes nimmt indessen die Paranoia zu.
    Gerüchte kursieren und bleiben unbestätigt, und nach den Verhaftungen von Bratt und Guillou ist alles möglich. Bei einer großen Kundgebung im Reichstagshaus ist er einer der Redner, am Tag darauf ruft ihn der Oberbefehlshaber Stig Synnergren an und ist aufgebracht und erklärt, Enquist wegen Beleidigung anzeigen zu wollen.
    Es ist ein chaotisches Gespräch. Er kann sich nicht richtig daran erinnern, was an seinem Beitrag im Reichstagshaus beleidigend war, erinnert sich hingegen daran, Synnergren, den obersten Chef der schwedischen Streitkräfte, einmal auf dem Kungsleden westlich von Kebnekaise, südlich von Singi getroffen zu haben und dass dieser freundlich und gut trainiert ausgesehen hatte und sie ein kameradschaftliches Hej austauschten. Kann er das erwähnen? Der Oberbefehlshaber lässt sich jedoch nicht unterbrechen, aber schließlich, in einer kurzen Atempause, flicht der unter der Drohung einer Beleidigungsklage stehende Enquist die dämliche Bemerkung ein, dass er ja immerhin fünfzehn Monate Wehrdienst beim I 20 in Umeå geleistet und es zum Stabsunteroffizier gebracht habe, späterhin aber nicht zu Manövern einberufen worden sei, was er seltsam finde.
    Es entsteht eine kurze Pause der Verblüffung, dann brüllt Synnergren, dass es hier um ernste Dinge gehe und Enquist nicht versuchen solle, die Sache ins Lächerliche zu ziehen. Was er tatsächlich nicht versucht hatte, es war ihm nur darum gegangen, einen menschlichen Kontakt herzustellen. Doch dazu kommt es nicht, der Oberbefehlshaber knallt den Hörer auf.
    Das Gespräch führt nicht zu einer Klage.
    Wird er nervös? Doch, vielleicht.
    Die Stimmung ist aufgepeitscht, und alles scheint möglich. Eines Morgens ruft Jan Gehlin an, Richter am Landgericht und Vorsitzender des Schriftstellerverbands, mit dem er seit mehreren Jahren im Vorstand zusammenarbeitet, und sagt, es sei Gerüchten zufolge möglich, dass bei mehreren Schriftstellern Hausdurchsuchungen vorgenommen würden, darunter offenbar auch bei Enquist. Er versteht, ehrlich gesagt, nicht warum, aber plötzlich kommt ihm in den Sinn, dass er von seinem UCLA-Aufenthalt einige Marihuanasamen in das Haus am Jägarvägen 1 in Uppsala mitgebracht hat. Er hatte sie in einen Blumentopf gesteckt, und sie waren aufgegangen und zu einer stattlichen Pflanze herangewachsen, die jetzt im Fenster zur Straße hin steht. Er wird von einer für diese Zeit typischen Panik gepackt, holt sofort eine Schere, schneidet die Marihuanapflanze ab und spült die schönen Blätter in der Toilette fort.
    Er weiß noch gut, wie die grünen Blätter verschwinden, und auch, wie die beiden Kinder, die sechsjährige Jenny und der zwölfjährige Mats, ihn verwundert bei dem, was er tut, beobachten. Er antwortet nicht auf ihre Fragen.
    Im Tagebuch nur eine kurze Notiz mit chiffrierter Beschreibung dessen, was er getan hat.

Es kommen bald andere politische Stürme, in die er direkter verwickelt ist. Die öffentliche politische Debatte wird zu einer Art Droge für ihn, er kann es nicht lassen, sich einzumischen. Gerät unablässig außer sich, und schreibt deshalb. Jetzt keine Bücher. Sondern Artikel.
    Und später Theaterstücke.
    Es ist nach der Nacht der Tribaden ; er will gern weiterhin Texte fürs Theater schreiben. Er beginnt eine Zusammenarbeit mit dem Autor Anders Ehnmark, die, sporadisch aktiviert und

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