Ein anderes Leben
zuweilen mit langen Pausen, fast sein ganzes Leben bestehen bleibt.
Es ist die Periode, die mit dem Jahr 1976 einsetzt, und die IB-Geschichte ist auf ihre Weise der Startpunkt einer turbulenten Epoche. Der entwicklungsoptimistische Traum vom permanenten Wachstum erhält einen Dämpfer, der Neoliberalismus bricht herein, die alte Kritik der neuen Linken an der Visionsarmut der Sozialdemokratie wird neu belebt, die Arbeiterklasse ist verraten, und an diesem Punkt fallen die Interessen aus den Reichen des real existierenden Sozialismus, also den sowjetischen, mit der Kritik von links zusammen. Es heißt, dass geheime U-Boote unbekannter Herkunft im Schärenmeer umherschleichen, sie könnten sowjetisch sein, könnten Schiffe der NATO sein, könnten Otter oder Delfine sein. Es sind die Jahre des Palmehasses, die Jahre, in denen es Mode wird zu sagen, dass Schweden eigentlich faschistisch geworden sei, dass eine DDRisierung stattfinde und nur Albanien eine vergleichbare Unterdrückung aufzuweisen habe. Gleichzeitig verliert die Linke, und das ist das Paradox, das Interesse an der Politik, Intellektuelle erklären todernst, dass Emigration notwendig sei, und nicht nur aus steuerlichen Gründen.
Kurz gesagt eine Zeit, wie gemacht für satirische politische Texte.
Er kennt Ehnmark gut, aber nicht persönlich. Er erinnert sich, dass Ehnmark einst in Expressen sein zweites Buch, Färdvägen, besprochen hat; er hatte dabei mit einem scharf geschliffenen Schlachtermesser, vielleicht einer Machete diesen begabten, technisch komplizierten, stückweise gediegenen , aber vollständig unlesbaren Roman in sehr dünne Scheiben gehauen, all dies mit einer für Ehnmark charakteristischen, kurzgefassten sprachlichen Sensibilität; danach war Ehnmark aus seinem Blickfeld verschwunden.
Anhand der Presse und publizierter Bücher hatte er aus der Distanz Ehnmarks weiteren Weg verfolgt. Dieser schien Rom-Korrespondent mit Verantwortung für ungefähr die halbe südliche Erdhalbkugel gewesen zu sein, was in Rom durchaus möglich war, hatte dann Expressen verlassen, um zusammen mit seiner zukünftigen Frau Annika Hagström ein Jahr bei der kommunistischen Tageszeitung Norrskensflamman in Luleå zu arbeiten. Das war eine merkwürdige Zeitung; sie war nicht dem opportunen Hass der Linken auf den sowjetischen Realsozialismus erlegen, sondern hatte es in ihren Beschreibungen der Sowjetunion sozusagen geschafft, die kommunistische Utopie zu verwirklichen, doch nur in Luleå ; eine Utopie, die in Flamman durch großartige Krankenversorgung, gepflegte Kindergärten und prächtige Sonnenblumenfelder charakterisiert wird.
Letztere sind regelmäßig im Bild gezeigt.
Das aus Stockholm gekommene Paar unternimmt tapfere Versuche, gewisse Korrekturen an diesem Bild vorzunehmen und der sowjetischen Utopie dunklere Nuancen zu geben, was die freundlichen Genossen bei Flamman auch akzeptieren, weil sie Ehnmark / Hagström sehr mögen. Die Sonnenblumenfelder verschwinden. Als sie nach einem Jahr in Norrbotten die Genossen wieder verlassen, um sich in einer fliederumwucherten Kate südlich von Stockholm niederzulassen und zu heiraten, kaufen sie unterwegs in Piteå die neueste Nummer von Flamman und stellen fest, dass die Sonnenblumen wieder da sind.
Anders und Annika sollen zu seinen lebenslangen Freunden werden.
Zu schreiben war eine einsame Sache. Nicht zu schreiben war jedoch schlimmer. Ja, es war die Hölle.
Zusammen mit jemand anderem vielleicht?
Anders schreibt einen satirischen Roman über Journalismus, Karamellkoket , 1976 wird ein Kapitel dieses Romans in Dagens Nyheter vorabgedruckt. Er liest es. Es ist sehr lustig und boshaft auf eine ungewöhnliche Weise, er ruft Ehnmark an und schlägt ihm vor, gemeinsam ein Theaterstück zu schreiben. Über die Medien, über Journalismus und Macht. Vielleicht auch über Wirtschaftskriminalität und Eigentumsverhältnisse auf dem schwedischen Zeitungsmarkt und die Konsequenzen daraus.
Sie fangen an.
Die Arbeitsmethode ist leicht zu beschreiben.
Vor einer Schreibmaschine sind sie beide prinzipiell menschenscheu, hassen es, wenn jemand ihnen über die Schulter sieht, Fragen danach, ob es gut läuft, verursachen Nervenzusammenbrüche, Kinder dürfen nicht schnüffeln, Frauen nicht in Papiere sehen. Sie schicken sich also Briefe, die Entfernung von Uppsala nach Nykvarn ist gerade richtig, ungefähr zweihundert Kilometer. Es ist eine Zeit, in der Briefe noch befördert werden und die Adressaten erreichen.
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