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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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wäre und alles ganz natürlich. Sie hatten Sjön 3. Sjön 3 war ihr Haus, lag fast tausend Kilometer nördlich von Stockholm; wenn man von der Bureseite kam, lag es rechts, hinter Normarks. Es lag am Waldrand.
    Das Haus war in einem kräftigen Grün gestrichen, was allgemein als ein wenig sonderbar angesehen wurde, aber weil das Dorf aufs Ganze gesehen nur aus Verwandten seines Vaters bestand, ließ sich niemand etwas anmerken; vielleicht erwähnte einmal jemand, dass es eine etwas komische Farbe war. Der Vater war ja gestorben, als er nur sechs Monate alt war , diese Sicherheit, dies immer wieder sagen zu können! Also nahm man eben ein bisschen Rücksicht und fand, dass das mit der Farbe nicht so wichtig war.
    Die Frage mit der Telefonnummer war gar nicht so dumm.
    Ließ sich ausweiten. Er beschließt, sich zu wiederholen , um nicht verrückt zu werden. So käut er das wieder, dessen er sich sicher ist, also das Haus. Sein Vater hatte das Haus gebaut, von Hand, wie man sagt, mit Hilfe des Großvaters, der Dorfschmied war; wenn er daran denkt, und an den Fuchs, der fast August tötete, ist es seltsam, dass er Füchse mochte, als er klein war. Er hatte wohl keinen Maßstab. Der Vater war zwar Stauer und Holzfäller, aber der Großvater konnte das meiste, einschließlich Ruderboote bauen, die allgemein als breit, schwerfällig und äußerst seetauglich galten. Er baute ja auch eins für die Mutter, nachdem der Vater gestorben war und sie in das Sommerhaus auf Granholmen im Hjoggböleträsk gezogen waren. Das Boot galt als schwer zu rudern und seetüchtig. Es hing ja das Leben des Enkels daran. Unterhalb des grünen Hauses, das am Waldrand lag, erstreckten sich vier Viehweiden zum Bach hin. Man sagte, dass es ein ›halbes Kuhland‹ war. Das bedeutete, dass davon eine halbe Kuh ernährt werden konnte. Vielleicht lag es an der Grenze zu einer ganzen Kuh. Sie hatten jedoch keine Kühe, weil der Vater auf den Schiffen arbeitete. Das war im Sommer. Im Winter fällte er Bäume im Wald. Jetzt, während des Parisaufenthalts schätzt er, und die Fakten sprechen nicht dagegen, dass es eher ein ganzes Kuhland gewesen sein muss, wenn nicht mehr.
    Zu übertreiben hieß sich aufzuspielen, und seine Angst und Qual angesichts des halben oder ganzen Kuhlands muss in diesem Licht betrachtet werden. An frühen Morgen steht er um vier Uhr auf und blickt hinaus über die eiskalte Ebene, wo der Eiffelturm wie eine bedrohlich ins Eis gerammte Brechstange aufragt, wie von Onkel Aron zurückgelassen. Er will sich selbst als prinzipiell demütig einschätzen. Oft ist seine Demut die größte im Lande. Er hat dann viel getrunken und ist, eingewickelt in das Butterbrotpapier des Erfolgs und der Liebe, absolut und vollständig einsam.
    Während er diese Erwägungen über seine Telefonnummer anstellt, und das Haus, liegt der Kater die ganze Zeit wach und betrachtet ihn mit Verwunderung. Das Tier ist nicht an das Klappern der Schreibmaschine gewöhnt, sondern daran, dass er vor sich hin stiert und dass es still ist, vom Tosen des Verkehrs da unten abgesehen.
    Er vollendete jetzt ohne zu zögern die Rekonstruktion von Sjön 3. Was sonst hätte er tun sollen.
    Das Haus war am Waldrand gelegen.
    Dahinter waren der Wald und schließlich der Berg, der Bensberg hieß und dessen Höhe mit hundertzwölf Metern angegeben wurde, der jedoch mit Sicherheit bedeutend höher war, vielleicht mehrere hundert Meter. Dicht unterhalb des Gipfels war die Grotte der toten Katzen, die er schon in frühen Jahren erforscht und kartographiert hatte und wo er einmal die Ziehschwester Eeva-Lisa vor dem Erfrierungstod gerettet hatte.
    Vor dem Haus lagen die Weiden mit der Quelle und den Fröschen. Diese Fakten wiederholt er, bis er sich beruhigt hat. Dann ist er wieder Kind, und keiner kommt an ihn heran .
    Das Haus hatte ein Unter- und ein Obergeschoss, und an der einen Schmalseite, der mit dem Schlafzimmerfenster, das aufs Tal wies, stand eine Eberesche. Das war ein Glücksbaum, hatte seine Mutter bestimmt. Die Eingangstreppe lag auf der Längsseite, dem Bethaus zugekehrt, das fünfundzwanzig Meter entfernt war. Man trat von der Bethausseite ein, also in die Richtung von Sehlstedts und Nordmarks, und in einer größeren Perspektive in Richtung Stockholm gewandt. Er hatte zweiundvierzig Cousins und Cousinen. Das war ganz natürlich: Mehrere hundert Jahre hindurch war es um die Wege zwischen den Dörfern schlecht bestellt gewesen, und wer sich beweiben wollte, kam auf der

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