Ein anderes Leben
durchgeackert, fällt es ihm mit allen folgenden leichter. Alle Beschreibungen gleichen sich, weil Wörter wiederkehren, und im Grunde interessiert es ihn nicht, was sich wirklich abspielt.
Es ist genauso, wenn er schreibt, deshalb schreibt er nicht mehr.
Er kann am laufenden Band über Spiele lesen, die ihm total gleichgültig sind. Er hat eine klare Erinnerung an Wörter wie ›am laufenden Band lesen‹, ›Spielberichte‹ und ›Katze‹. Die Katze betrachtet ihn steif und mit Liebe. Wohin führt der Weg. Er sinkt, die Vorstellungen immer traumartiger. Er träumt von der Küstenliga Nord, vierte Division, der Liga im Nördlichen Västerbotten, in der Bureå wie Hjoggböle vor vierzig Jahren gegen den Abstieg kämpften. Nur davon handeln seine Tagträume, und seine Katze starrt ihn ausdruckslos an, stundenlang. Er weiß, dass dies das einzige Leben ist, das er hat; wenn es zu Ende ist, ist es zu Ende, und dies erfüllt ihn mit einer so tiefen Verzweiflung, dass er sich an die Katze hält, die ihn starr betrachtet. Er redet sich ein, dass diese Jahre, die er in dem Haus Champs-Élysées 147 verbringt, die Vorbereitung auf seinen Tod sind, was die bedingungslose Liebe der Katze und ihre Regungslosigkeit nicht verändert.
Die Katze heißt August und ist ein scharfsinniger Freund, rot. Ihr späteres Schicksal wird auf eigentümliche Weise von einem Stück vorgezeichnet, das er in diesem Jahr, 1987 in Paris schreibt. Das Stück heißt In der Stunde des Luchses und handelt von einer Katze, die stirbt, von einem Fuchs getötet, aber wieder aufersteht von den Toten.
Eine Wiederauferstehungserzählung, eine von den vielen, die er in diesen Jahren schreibt und vernichtet. Wunder geschehen selten, man muss liegen, wo man liegt, und Jesus hat ja selten Zeit. War er überhaupt auferstanden? Lag vielleicht dort im Felsengrab und hoffte.
Auf eine gefühlskalte und für ihn erstaunliche Art und Weise ist sein eigentlicher Wohltäter, sein Vater, auch verschwunden. Da er tot ist, sollte er Zeit haben, aber nichts. Wie dem auch sei, viel später, und in Kopenhagen, fünf Jahre nachdem das Stück geschrieben wurde, verschwindet der Kater August eines Abends und wird zwei Tage später schwer verletzt aufgefunden, fast getötet von einem der Füchse, die durch die Vororte von Kopenhagen streunen. Der ganze Hinterkörper ist praktisch abgetrennt, ein Junge aus einem Heim für entwicklungsgestörte Kinder hat ihn gefunden. Was jetzt geschieht, ist der Versuch, einen schon Verlorenen zu retten. Die meisten hätten die Katze eingeschläfert und begraben, aber der Junge, der trotz allem eine Art Mensch ist und also Tiere liebt, findet die Katze so schön, auf jeden Fall das, was davon übrig ist, und glaubt, dass sie lebt – oder leben sollte. Die Vorsteherin des Irrenhauses – so nennt er es – erbarmt sich wider besseres Wissen des Kadavers und ruft einen Krankenwagen an; ein Tierarzt flickt August zusammen.
Schließlich erfahren sie, wo der Kater ist. Seine Frau Lone holt ihn. Er selbst ist oben in Bureå, wo seine Mutter im Sterben liegt. Der Schwanz des roten Katers August natürlich ab, der Hinterkörper zerfetzt, aber er lebt. Getötet von einem Fuchs, auferstanden, eigentlich als Luchs und ohne Schwanz, genau wie er es in seinem Stück fünf Jahre zuvor geschrieben hatte. Er zieht die humoristische Schlussfolgerung, dass Gott Theater sieht, verliert aber plötzlich die Beherrschung und bricht heftig in Tränen aus. Herrgott, für Katzen gibt es Barmherzigkeit.
Das Stück von der roten Katze ist alles, was er in Paris schreibt. Der Aufenthalt dort dauert drei Jahre. Er steht früh auf, schreibt im besten Fall eine Stunde, bevor er betrunken wird. Ein Schauspiel ist ja nicht so lang. Das Stück handelt von einem Jungen, einem Gefangenen, Doppelmörder, eingesperrt, der krankhaft auf das grüne Haus in Hjoggböle fixiert ist, in dem er geboren ist, dem in therapeutischer Absicht die Fürsorge für eine Katze übertragen wird. Das Stück handelt von der Liebesgeschichte zwischen dem Jungen und der Katze.
Und davon, dass eine Wiederauferstehung möglich ist, natürlich, aber wer glaubt schon daran.
Er denkt: Unfug! Noch einmal von vorn!
An einem entsetzlichen Morgen nimmt er sich entschlossen eine Arbeitsaufgabe vor: dass er an diesem neuen eiskalten Morgen im Nebel doch eine Zeile schreiben will, vielleicht zwei, und egal worüber. Er wird eine Frage beantworten . Kann nicht schwer sein. Dann kann er mit gutem Gewissen in
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