Ein anderes Leben
Zug in die Stadt.
Eigentümlicherweise ist es jener Novembertag, an dem er, direkt im Anschluss an dieses Treffen, nach Bosön weiterfährt, um eine Woche in einem Trainingslager zu verbringen, das den Namen ›Die Männer von morgen‹ trägt. Die zukünftigen Sportstars sollen dort getrimmt werden. Er macht also bei Norstedts eine Zwischenlandung auf dem Weg ins Trainingslager der Hochspringer, geht über die Brücke nach Riddarholmen, sieht das fantastische Verlagsschild, das ihm entgegenstrahlt.
Da ist es. Ihm wird fast schwindelig. Könnte er doch an diesen weit geöffneten Busen der Kunst gelangen! Könnte er nur debütieren! Dann wäre alles andere – ja vielleicht Unfug .
Der Flur des Verlags ist endlos, geht schließlich um die Ecke, alle Zimmertüren stehen offen. Überall sieht er die jungen, unerhört schönen Frauen des Verlags mit etwas Literarischem oder Poetischem im Blick umherwandeln; er spürt, wie sie ihn mustern. Bestimmt lüstern. Ist dieser sehr lange Jüngling vielleicht der neue Stig Dagerman des Verlags, der sich auf so legendäre Art und Weise das Leben nahm, als er nicht mehr schreiben konnte? Er spielt jemanden, der gelassen die Welt betrachtet, eine Formulierung, die er, wie gesagt, bei Tranströmer entliehen hat, und lächelt zurück.
Dagerman soll sehr hohe Vorschüsse erhalten haben.
Ganz am Ende des Flurs gelangt er zu dem jungen Verleger Lasse Bergström, der später der Chef des Verlags werden wird. Bergström ist sehr freundlich und nimmt sich Zeit, und es zeigt sich, dass er sportinteressiert ist – er scheint voll und ganz die psychologische Tragik darin zu erfassen, immer gerade unter der Traumgrenze zu landen. 1,97 im Hochsprung, aber nie zwei Meter. Glatte 16 über die kurze Hürdenstrecke, aber nie 15,9. 13,98 im Dreisprung, aber nie 14 Meter. Das ist ja auch ein Ansporn , sagt der Verleger ohne Ironie, eher einfühlsam.
Wie konnten sie auf dieses Gleis geraten. Er ist davon überzeugt, dass dieses Einstellungsgespräch keine glückliche Wendung nimmt. Falscher Ton.
Mit einer gewissen Mühe kommen sie auf seinen letzten und jetzt eingesandten Roman, den der Verlag zwar nicht annehmen kann, der jedoch Qualitäten hat. Er benutzt ausdrücklich das Wort Qualitäten . Bergström hält einen Brief des Gutachters in der Hand, der einer der großen Autoren des Verlages ist, Olle Hedberg, und liest Teile aus diesem Gutachten vor. Dieser Hedberg meint, eine großartige Begabung zu sehen, aber unausgeglichen.
Aber, ja, unausgeglichen. Lesen Sie alles, bittet er, als Bergström bei einem Passus gleichsam nachdenklich verstummt, etwas überspringt: er hat das beunruhigende Gefühl, dass sich dort eine Andeutung von Kritik verbirgt. Bergström zögert, sagt dann Ja, er schreibt hier auch etwas von ›unverdautem Freud‹ .
Unverdauter Freud?!! Ihm läuft es kalt den Rücken hinunter. Fast das Schlimmste, was man sagen kann. Stand da wirklich unverdauter Freud! Plötzlich packt ihn eine maßlose Wut bei dem Gedanken, dass er jetzt eine Woche im Sportinstitut Bosön verbringen soll, um die Ergebnisse zu verbessern auf einem Gebiet, das er innerlich bereits aufgegeben hat, wo er statt dessen diese ganze Woche dazu benutzen könnte, mit der Lötlampe allen unverdauten Freud aus dem Manuskript zu tilgen. Er ahnt, wo es steckt. Hauptsächlich am Ende. Psychologisieren und unverdauter Freud. Er empfindet plötzlich Dankbarkeit. Die Schlacke dieses ansonsten gediegenen Romans heißt ›unverdauter Freud‹! Er hat es die ganze Zeit geahnt. Der Gedanke, dass sein Name auf einem Buch erscheint, in dem die Reinheit von unverdautem Freud beschmutzt ist, lässt ihn erschauern. Vielleicht ist er schon immer von unverdautem Freud verunreinigt gewesen?
Unschuld bis zu seinem neunzehnten Lebensjahr, besessen von Königin Sibylla! Was bedeutet das?
Das Bild von Königin Sibyllas eventuellem BH blitzt vorüber, aber er versucht, sich zusammenzureißen, intellektuell klar zu werden, wie ein angehender Schriftsteller es sein soll, ohne Reste von unverdautem Freud. Er beginnt murmelnd, dem Verleger für diesen wichtigen Hinweis Olle Hedbergs zu danken, den er bewundere, aber er sieht ein, dass ein junger Autor, der vielleicht bald vor seinem literarischen Durchbruch in der Welt steht, nicht kriechen sollte. Steh aufrecht im Gegenwind, dann kannst du vielleicht auch bei hartem Rückenwind aufrecht stehen.
Ein späteres Dilemma, aber er sieht das Problem voraus.
Gleichzeitig muss er seine
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