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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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angelernte Demut handhaben. Er hält inne und fragt dann in vollkommen neutralem Ton: Was sollte ich Ihrer Meinung nach tun , bekommt aber nur die Antwort: Was meinen Sie selbst?
    Eine wunderschöne Sekretärin kommt mit einem Papier herein und schenkt ihm ein sanftes Lächeln, als wäre er ganz sicher der neue Dagerman des Verlags. Er weiß plötzlich, dass er hier in diesem Verlag zu Hause ist, ja in einem Heim, nach dem er lange gesucht hat. Hier will er bleiben. Für immer. In dieser warmen Spalte! Er hat plötzlich ein nahezu vaginales Erlebnis in diesem altehrwürdigen königlichen Verlag auf Riddarholmen, dies also hatte Zinzendorf mit Jesu Wunden gemeint! und dem warmen Blut! diese Vagina!
    Er hatte also P. A. Norstedt & Söner im Sinn gehabt!
    Dann hält er plötzlich inne in seinem immer exaltierteren inneren Monolog, beunruhigt: War es vielleicht dies, nicht Königin Sibylla, was mit unverdautem Freud gemeint war? Was er jetzt mit der gnadenlosen Lötlampe seines Intellekts fortbrennen musste? Wie man mit der Lötlampe das alte Wachs von den Skiern entfernte!? Aber jetzt sehen der Verleger und die Sekretärin ihn auffordernd an, er muss etwas sagen.
    Und da sagt er mit belegter Stimme: Ich lasse nicht locker, in einem halben Jahr komme ich wieder.
    Er heiratet – es ist eine Beziehung, die einst am Gymnasium in Skellefteå begonnen hatte, abgebrochen und wieder aufgenommen wurde – und bekommt ein Kind, einen Jungen, der sofort auf den Namen Per Mats Olov getauft wird.
    Er ist bei der Geburt dabei, was damals ungewöhnlich war, und weint hemmungslos.
    Es ist jetzt die plötzlich aufflammende Hochkonjunktur der Flaschenmilch, was er sehr zu schätzen weiß, weil dadurch das Aufziehen , das Füttern als solches, zu einem großen Teil ihm selbst zufällt; seine Frau ist Lehrerin und versorgt die Familie im ersten Jahr allein. Es bereitet ihm Genuß, Brei zu kochen, und das Kind nuckelt; er wiegt das Kind jeden Tag, jeden Tag , vor und nach den zahlreichen Mahlzeiten. Der Junge gewöhnt sich schnell an die Prozedur und scheint glücklich zu sein, sich ständig in der Waagschale zu befinden, wie in einer zweiten Wiege. Das Resultat der ununterbrochenen Kontrollen trägt er in Tabellen ein, mit Kurven, nicht aus Sorge, das Kind könnte nicht genug Nahrung zu sich nehmen, sondern um die Ergebnisse zu verbessern .
    Er erkennt sich in dem Jungen, der lieb ist. Er lernt es jedoch zu schätzen, dass das Kind lieb ist, und tadelt es nicht oder wünscht sich ein weniger liebes Kind.
    Der Junge liegt in einem Korb, den er unter seinen Schreibtisch stellt. An diesem Schreibtisch schreibt er mit furchtbarem Maschinengewehrgeknatter auf seiner Schreibmaschine der Marke Facit, und das Kind schläft vertrauensvoll da unten zu seinen Füßen. Wenn der Junge wach wird und schreit, zieht er den rechten Strumpf aus und steckt den nackten Fuß in den Korb. Das Kind greift dann nach seinem großen Zeh, kaut manchmal darauf und schläft wieder ein. Dann kann er, mit dem gleichen unerträglichen Knattern, oben auf der Tischplatte an seinem Roman weiterschreiben.
    Er spürt die ganze Zeit die Hand um seinen Zeh. Es ist ein ruhiges und sicheres Gefühl, es ist, als stiege von der Hand des kleinen Kindes eine beruhigende Wärme auf, durch den großen Zeh hinauf zu ihm, der schreibt, und von da weiter hinauf zum Reisegefährten Elof und schließlich ganz hinauf zum Schöpfer des Kreuzfuchses Per Walfrid, in einer gänzlich ungebrochenen warmen und friedlichen Liebeslinie.
    Er hatte zum Verleger gesagt Ich lasse nicht locker, in einem halben Jahr komme ich wieder , und er tut es.
    Er tut es, und jetzt wird er angenommen, der Verlag wird laut einem von beiden Seiten unterzeichneten Vertrag im Herbst 1961 den Roman Kristallögat herausbringen, und dieser Enquist seinerseits kann ein nicht rückzahlbares Garantiehonorar von 1000 ( eintausend ) schwedischen Kronen abheben.
    Der Vertrag wird ihm per Post zugeschickt. Er hält ihn in der Hand.

Kapitel 6
EXIT HOMO LUDENS
    Jetzt öffnet sich eine Tür. Nichts ist wie früher.
    Er spürt jedoch allzu deutlich, dass er Defizite hat. Es sind Kenntnisse, Namen, Einsichten, die ihm fehlen, wie er sie als vertraglich gebundener Schriftsteller jedoch besitzen sollte. Er kann sich vielleicht dessen rühmen, dass seine mühsam angeeignete Demut die größte im Lande ist, ein Scherz, den er fast von Strindberg geliehen hat, aber wie bringt ihn dies weiter? Er bildet sich ein zu wissen, dass fast alle

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