Ein Anfang mit Biss - Rowen, M: Anfang mit Biss - Bitten & Smitten (Immortality Bites 01)
Wie auch immer.
»Komm schon.« Ich zupfte ein Papiertuch aus der griffbereit aufgebauten Schachtel und reichte es ihr. »Alles wird gut.«
»Wirklich? Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob ich schon bereit dafür bin.«
»Richard ist großartig. Ihr beide werdet ein wundervolles Leben führen.«
Sie schnüffelte. »Wir sind so unterschiedlich, weißt du? So unterschiedlich, dass es schon fast unheimlich ist.«
»He, vive la différence. Gegensätze ziehen sich an und so weiter.«
»Aber wenn er mich nun in fünfzig Jahren langweilig findet? Wenn ich alt bin?«
»Das wird er nicht. Ihr beide seid füreinander bestimmt. Alles wird gut. Willst du ein Glas Champagner?« Ich schenkte ihr ein Glas ein. Sie nahm es und leerte es in einem Zug. Ich genehmigte mir auch ein Schlückchen direkt aus der Flasche. Das kostenlose Gesöff half ein bisschen, aber nicht so gut wie sonst.
»Er ist großartig, stimmt’s?«, erkundigte sie sich.
Ich wischte mir den Mund ab und versuchte mein Lipgloss nicht zu verschmieren. »Ja, wirklich großartig.«
Ehrlich gesagt hatte ich bisher nur etwa fünf Minuten mit Richard, dem Bräutigam, gesprochen, und zwar nach dem
Dinner. Er war Buchhalter, etwas über vierzig, hatte lichtes Haar und fuhr einen blauen Volvo. Er wirkte ganz okay, aber schließlich musste ich ihn auch nicht heiraten.
Missy war Anfang dreißig. Sie war schon einmal verheiratet gewesen, vor etwa zwölf Jahren. Die Ehe hatte nicht funktioniert, nicht zuletzt wegen der beiden anderen Ehefrauen ihres Gatten. Die Zeit zwischen ihren Ehen hatte sie mit Jo-Jo-Diäten und dem Sammeln von Katzen verbracht. Richard hatte sie letztes Jahr kennengelernt, als er ihre Steuer machte. Tja, intensiver wurden Romanzen in Abottsville nicht.
Die ersten Noten des Canon D hallten von draußen in die Garderobe. Das war das Stichwort für die Braut. Zeit, dieses zickige Kleid vorzuführen.
»Gerettet von Pachelbel«, erklärte ich. »Kapiert?« Missy sah mich verständnislos an. Offenbar sagte ihr der Komponist nichts. »Macht nichts. Komm, sie spielen unser Lied.«
Missy lächelte und stand auf.
»Danke, dass du für mich da bist, Sarah. Ich wünschte wirklich, ich könnte öfter in die Stadt kommen.« Sie umarmte mich vorsichtig, um unser Make-up nicht zu verschmieren.
»Ja, das finde ich auch«, log ich und zwang mich zu einem strahlenden Lächeln, als ich mich von ihr löste.
Sie sah mich stirnrunzelnd an. »Deine Zähne sehen irgendwie komisch aus.«
»Wirklich?« Ich fuhr mit der Zunge über die Zähne, als mich ein Schmerz durchzuckte. Ich verlor den Mut. Da waren sie. Wie winzige kleine Nadeln, und das weit vor ihrem Zeitplan, dank Thierrys superstarkem Blut.
Meine Eckzähne. Die Vampir-Reißzähne. Na wunderbar!
»Ehm …« Ich versuchte zu sprechen, ohne den Mund allzu weit aufzumachen. »Ich habe diese Zahnaufheller benutzt,
das ist alles. Ich glaube, sie sind einfach nur weißer als normal. Okay, Showtime! Wir sehen uns vor dem Altar.«
Ich huschte hinaus, als mein Onkel in der Tür auftauchte, um Missy zum Altar zu führen. Ich trat hastig zu meinen ebenfalls aubergine gekleideten Brautjungfer-Leidensgenossinnen. Sie zupften an den Säumen ihrer Kleider, doch je fester sie zogen, desto mehr Dekolleté quoll oben heraus.
»Das ist so beschissen«, sagte ein Mädchen, Lana, bevor sie ihren Gang durch das Mittelschiff antrat. Sie war die Erste. Ich kam als Zweite. Die Ehrenjungfrau, die aussah, als würde sie jeden Moment aus dem Kleid platzen, folgte mir. Dann jedoch ging es nur noch um Missy.
»Atme«, sagte ich Susan, der Ehrenjungfrau. »Du schaffst das.«
»Ich fühle mich wie eine große, fette Nutte«, erwiderte sie.
Darauf wusste ich nichts zu erwidern, also setzte ich mich in Bewegung, schritt durch das Mittelschiff und umklammerte mein kleines Bukett aus pinkfarbenen und weißen Nelken.
Okay, ich hatte also endlich meine Vampir-Reißzähne. Noch eine Kleinigkeit, mit der ich klarkommen musste. Kein Problem. Null Problemo.
Wen wollte ich eigentlich veralbern? Es war schlichtweg beschissen. Die Ausrede mit dem Zahnaufheller war bestenfalls schwach. Aber vielleicht fiel es keinem auf. Ich musste einfach nur den Rest des Tages so wenig den Mund aufmachen wie möglich.
Ich warf einen Blick zu der Bank, in der meine Eltern saßen. Ich musste mit ihnen reden, ihnen erklären, dass ich weggehen und in Zukunft nicht mehr häufig hier auftauchen würde. Ich würde nach Australien ziehen, wegen meines
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