Ein Antrag nach Mitternacht
Verlobungszeit. Damals war sie eine junge, unverheiratete Frau gewesen, und daher hatte sich stets eine Anstandsdame in ihrer Nähe aufgehalten – mal ihre Mutter, mal ihre Großmutter. Francesca schaute auf ihre Hände und fühlte sich ungewohnt gehemmt, was natürlich lächerlich war. Sie wusste, sie war eine Frau, bei der man darauf zählen konnte, dass sie eine Unterhaltung im Fluss zu halten verstand. Und doch saß sie jetzt einfach nur da, und beim besten Willen fiel ihr nichts ein, was sie hätte sagen können. Und das auch noch in der Gesellschaft eines Mannes, den sie von klein auf kannte. Aber sosehr sie sich bemühte, alle ihre Gedanken kreisten nach wie vor um den Traum, der sie davon abhielt, normale Konversation zu führen. Noch schlug ihr Herz viel zu schnell.
Hinzu kam das Gefühl, dass Rochford sie die ganze Zeit über ansah. Selbstverständlich gab es keinen Grund, warum er das nicht hätte machen sollen. Immerhin saßen sie beide sich gegenüber, ihre Knie waren nur wenige Fingerbreit voneinander entfernt. Und genauso gab es nicht den geringsten Grund, warum sein Blick sie nervös machen sollte. Dennoch brachte allein der Gedanke daran sie völlig aus der Ruhe.
Zum Glück hielten sie schon nach wenigen Minuten wieder an, da sie das Haus von Lady Althea erreicht hatten. Francesca wartete in der Kutsche, während Rochford ausstieg, um Althea abzuholen. Da die beiden bereits nach wenigen Augenblicken aus dem Haus traten, war Francesca klar, dass die zwei sich kaum unterhalten haben konnten. Sie konnte das Althea nicht zum Vorwurf machen, schließlich hatte sie selbst die ganze Zeit über dagesessen und keinen Ton herausgebracht. Dennoch fand sie, die Frau hätte sich ruhig etwas mehr engagieren können.
Als sie darauf warteten, dass der Diener die Tür des Gefährts öffnete und eine Fußbank hinstellte, damit Althea leichter einsteigen konnte, hörte Francesca sie in leicht enttäuschtem Tonfall sagen: „Oh, Sie sind ja gar nicht mit Ihrer Kutsche mit Ihrem Wappen darauf gekommen.“
Rochfords Blick ging zu Francesca, die er durch das Türfenster sehen konnte, und zog ironisch eine Augenbraue hoch. Sie musste sich eine Hand vor den Mund halten, damit ihr Lächeln nicht zu offensichtlich wurde.
„Nein, Mylady. Ausschließlich meine Großmutter benutzt die Kutsche mit dem Wappen auf der Tür. Trotzdem kann man sagen, dass dies hier meine ist, da sie mir gehört.“
Lady Althea schaute ihn verwirrt an. „Ja, ja, das schon, aber … aber wie soll jemand wissen, dass es die Kutsche eines Dukes ist?“
Francesca verkniff sich ein Seufzen. Offenbar besaß Lady Althea keinen großen Sinn für Humor, zumindest dann nicht, wenn es um ironische Zwischentöne ging.
„Das ist wohl wahr“, murmelte der Duke und hielt ihr seine Hand hin, um ihr hineinzuhelfen.
Althea setzte sich neben Francesca und nickte ihr ausdruckslos zu. „Guten Abend, Lady Haughston.“
„Guten Abend“, entgegnete sie lächelnd. „Sie sehen heute Abend reizend aus.“
„Vielen Dank.“
Es störte sie nur wenig, dass Lady Althea das Kompliment nicht erwiderte. Viel ärgerlicher war, dass sie nach ihrer knappen Antwort keine Anstalten machte, die Unterhaltung in irgendeiner Weise in Gang zu halten.
„Ich nehme an, Ihren Eltern geht es gut?“, fuhr Francesca fort.
„Ja, sehr gut, vielen Dank. Vater ist selten krank. Aber so ist das bei den Robarts natürlich immer.“
„Tatsächlich?“ Francesca entging nicht, wie die Augen des Dukes amüsiert aufblitzten. Gereizt stellte sie fest, dass Althea praktisch nichts unternahm, um einen positiven Eindruck zu hinterlassen. „Und genießt Lady Robart die Saison? Ich muss gestehen, ich habe sie in diesem Sommer nur selten gesehen.“
„Sie ist häufig bei meiner Patentante anzutreffen“, erklärte Althea. „Lady Ernesta Davenport. Sie wissen schon, die Schwester von Sir Rodney Ashenham.“
„Ah.“ Francesca kannte Ashenham und dessen Schwester, die beide vom besonders affektierten Schlag waren. Sie erinnerte sich noch gut, wie sie in ihrer ersten Saison wegen irgendeines Missgeschicks zu kichern begonnen hatte und nicht mehr aufhören konnte, was Lady Davenport zu der Bemerkung veranlasste, dass eine wahre Dame nie laut lachen würde.
„Die beiden sind zusammen aufgewachsen, müssen Sie wissen“, fügte Althea an. „Und sie sind Cousin und Cousine ersten Grades.“
„Ich verstehe.“
Offenbar deutete Althea diese eigentlich belanglose Antwort als einen
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