Ein Antrag nach Mitternacht
drohenden Katastrophe retten konnte, doch ihr Gehirn jagte von einem Gedanken zum nächsten und war einfach nicht fähig, sich auf eine Sache zu konzentrieren.
Von unten hörte sie eine Männerstimme. Sir Alan musste eingetroffen sein. Er war ein guter und netter Mann, der von ihr recht angetan war. Wenn sie ihm ein wenig Mut machte, würde er sich ganz sicher in sie verlieben. Sie war davon überzeugt, dass die meisten Frauen in ihrer Situation diesen Schritt unternommen hätten.
Aber sie konnte das nicht. Sie schaffte es nicht, sich zu überwinden und einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte, nur damit sie für den Rest ihres Lebens finanziell abgesichert war.
Doch welcher andere Weg stand ihr noch offen? Seit über zwei Wochen suchte sie nach einem Ausweg aus ihrer Misere, und sie war noch immer nicht fündig geworden.
Plötzlich sprang sie auf und ging im Zimmer auf und ab, während sie die Tränen von ihren Wangen wischte. Ihre Nerven kribbelten wie wild, und sie konnte nicht stillsitzen. Gleichzeitig wollten die Tränen nicht versiegen, und zwischendurch musste sie immer wieder schluchzen.
Ihr wollte nichts einfallen, und nur ein einziger Gedanke durchdrang den Nebel in ihrem Kopf. Ein Gedanke, der nur aus einem Wort bestand: Sinclair.
Abrupt ging sie zum Bett und nahm den leichten Abendumhang an sich, den Maisie für sie hingelegt hatte. Sie warf ihn über ihre Schulter, verließ das Zimmer und eilte leichtfüßig die Treppe hinab. An der letzten Stufe angekommen, warf sie behutsam einen Blick um die Ecke. Zu ihrer Erleichterung hatten sich ihre Diener offenbar in die Küche zurückgezogen, um über die jüngsten Ereignisse zu reden.
Auf Zehenspitzen schlich sie zur Haustür, ging nach draußen und schloss sie leise. Danach zog sie die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf, um ihr Gesicht zu verbergen, und eilte die Straße entlang.
Ein Diener in eleganter Livree, die in Blau und Weiß gehalten war, öffnete die Tür und stutzte, als er eine Frau auf der obersten Stufe entdeckte.
„Los, los, gehen Sie weg von hier! Was soll denn das?“, forderte er sie auf und wollte eben die Tür schließen.
„Nein!“, rief Francesca und streckte eine Hand aus, um ihn davon abzuhalten. Sie wusste, er hielt sie wahrscheinlich für eine Prostituierte, was sie durchaus nachvollziehen konnte. Keine angesehene Frau würde so wie sie bei einem Gentleman vor der Tür stehen, schon gar nicht ohne Begleitung.
Aber er durfte sie nicht wegschicken.
„Holen Sie Cranston“, sagte sie zu ihm. Die Kombination aus ihrer kultivierten Stimme und dem Namen des Butlers musste den Mann stutzig gemacht haben, da er auf einmal zögerte.
„Warten Sie hier“, erwiderte er schließlich, und wenige Minuten später war es Rochfords tüchtiger Butler, der ihr diesmal die Tür öffnete.
Cranston musterte sie voller Verachtung, bis sie die Kapuze weit genug nach hinten schob, um ihn ihr Gesicht sehen zu lassen. Verdutzt riss er die Augen auf. „Mylady?“
„Bitte, ich muss mit ihm reden“, bat sie ihn leise.
„Ja, aber natürlich. Treten Sie bitte ein. Es tut mir ja so leid.“
Francesca zog die Kapuze wieder nach vorn, weil sie nicht von den anderen Bediensteten erkannt werden wollte. Zügig führte Cranston sie durch den Flur in Rochfords Arbeitszimmer, das verlassen dalag. Der Butler nahm ihren Umhang an sich und zog sich zurück.
„Ich werde Seine Gnaden unverzüglich davon in Kenntnis setzen“, versicherte er ihr ohne eine Spur von Neugier, obwohl er zweifellos rätselte, was es mit ihrem Besuch auf sich haben mochte.
„Vielen Dank, Cranston.“
Er verließ das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Francesca wandte sich ab und spürte, wie die völlige Verzweiflung allmählich abebbte, die sie dazu getrieben hatte, Hals über Kopf zu Rochford zu eilen. Stattdessen regten sich Zweifel. Was würde er wohl von ihr denken, dass sie ohne Vorankündigung bei ihm auftauchte? Im Flur waren hastige Schritte zu hören, dann stürmte der Duke herein und sah sie beunruhigt an. Sofort bemerkte er ihr tränenüberströmtes Gesicht und die angespannte Haltung.
„Francesca! Mein Gott, was ist passiert?“ Er ließ die Tür hinter sich zufallen und kam mit ausgestreckten Armen auf sie zu. „Sind Sie krank? Ist etwas mit Dom? Selbrooke?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nein, darum geht es nicht.“ Er fasste ihre Hände. Seine Finger fühlten sich auf ihrer Haut so warm und stark an, dass ihr Tränen kamen und sie heftig
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