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Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Titel: Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Krömer
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den Lagerobersten an, der ihn nicht versteht, und fragt ihn mit süßem Lächeln: »Sprechen wir die gleiche Sprache?« Es ist der archetypische Berliner Schalterbeamte, der sich hier austobt und seine Macht über den Moment genießt. Die autoritäre Wurzel seiner Komik, sagt Krömer später, stamme aus den Jahren der Demütigung, die er erlebt habe.
Diesen Obrigkeitsterror verbreitet er nun mit anarchischem Genuss: Immerzu demütigt er Zuschauer und stellt sie an den Pranger, und die Lizenz dazu erwirbt er sich, indem er sich selbst am meisten erniedrigt. In seinen Nummern ist er der prahlende Denunziant, der selbstgerechte Fatzke, der Augenblicksvorgesetzte seiner Zuschauer – der Entertainer, der aufs Publikum sauer ist, weil es ihm den Abend verdirbt.
Man könnte sagen: Krömer lässt die Truppe schon jetzt spüren, dass sie daheim keinen Respekt zu erwarten hat. Er spielt einen Deutschen, der von den Soldaten – Schmarotzer am Hindukusch – nichts weiß und auch nichts wissen will. Das Publikum erkennt die Wahrheit hinter dieser Komik, das Gelächter kommt tief aus dem Bauch.
    Ich gehe vor die Tür. Auch im deutschen Lager in Afghanistan darf nicht innerhalb von Gebäuden geraucht werden. Deswegen stehen die meisten Soldaten auch die meiste Zeit draußen, obwohl es drinnen angenehm klimatisiert ist. Wie absurd, denke ich: Erschossen werden geht in Ordnung, aber Rauchen bitte nicht.
    Ich frage den Soldaten, der – in Zivil – neben mir steht und der mir eben schon im Publikum aufgefallen war, was denn seine Aufgabe sei.

    Schild im Headquarter in Kabul

    Er antwortet, er arbeite hier für den MAD (Militärischer Abschirmdienst) und den BND (Bundesnachrichtendienst). Ich bin so eine Art Geheimagent. Das erzählt er so ganz nebenbei, als würde er darüber sprechen, dass er neuerdings einen Spätkauf gepachtet habe und die Geschäfte zufriedenstellend liefen. Das erklärt auch, warum er die ganze Zeit in Zivil rumrennt. Denn oberstes Gebot hier bei der Bundeswehr ist eigentlich: Keiner darf öffentlich in ziviler Kleidung gesehen werden. Ich mache mich daran, ihn auszufragen. Der Herr Geheimagent antwortet bereitwillig. Bei ihm würden Informationen zusammenlaufen, die die Soldaten und andere sammeln. Dann wertet man diese aus. Man entscheide, was wichtig und unwichtig sei, was man für sich behalten sollte, was man an die anderen Länder weitergeben könne und was man gegebenenfalls dafür im Austausch an Informationen bekommen könnte. Das hört sich alles sehr abstrakt an. Ich bitte ihn um ein Beispiel.
    Er war zum Beispiel einmal in einem anderen Kriegsgebiet stationiert. Dort ging es darum, dass man vermutete, dass an einer bestimmten Stelle in einem Hafen Waffen geschmuggelt würden. Sein Job war es, herauszubekommen, ob dem wirklich so war. Also hat er sich als Tourist und als Angler verkleidet und ist dort im Hafen angeln gegangen. Erst einmal mussten sich die Einheimischen an ihn gewöhnen, und als er dann nach ein paar Wochen zum normalen Hafenbild gehörte, konnte er beobachten.
    Ein paar Wochen später wusste er Bescheid. An der vermuteten Stelle wurden tatsächlich Waffen in kleinen Containern aus kleineren Schiffen ent- und auf Lastwagen geladen. Erst war er nicht sicher, ob es wirklich Waffen waren, aber einmal öffnete einer der Schmuggler eine Kiste und kontrollierte die Ware. Daraufhin war seine Mission beendet. Er befahl den Zugriff.
    Um die Tarnung korrekt aufrechtzuerhalten, musste er allerdings noch ein paar Tage weiter angeln gehen.
    Was wäre denn gewesen, frage ich ihn, wenn die anderen Angler im Hafen mitbekommen hätten, dass er Geheimagent ist? Wenn die vielleicht auch gar keine echten Angler gewesen sind? Er lächelt. Darauf müsste er immer vorbereitet sein. Und wie er das mit der Sprache gemacht hätte, will ich wissen. Englisch? Nein, sagt er, dafür müsste man schon die Landessprache sprechen. Dies sagt er mir in breitestem Serbisch und übersetzt es mir dann auf Deutsch. Ich frage ihn leise, ob es ihm nichts ausmacht, dass das jetzt alle gehört haben. Er lacht und sagt, das würde wirklich nichts machen. Alle, die hier gerade um uns herum sitzen, machen denselben Job wie er.

    Bevor ich in meinen Container gehe, kommt noch der Fregattenkapitän Roland zu uns. In Kabul sei alles okay. Keine weiteren Vorkommnisse. Man habe ein paar Männer dabei beobachtet, wahrscheinlich Taliban, wie sie etwas eingegraben haben, und jetzt sei ein Team unterwegs, um zu gucken, was es sei.
    Bis

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