Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
sprechen, aber die Verantwortlichen werde ich nicht vor die Linse bekommen. Ein Herr Thomas de Maizière wird sich hier, heute und in Zukunft nicht mit mir hinsetzen und meine Fragen beantworten.
Bei Krieg geht es nicht nur um die Soldaten, Soldaten führen nur aus, Soldaten werden nur geschickt.
In der Hinsicht kann man Krieg mit Schach vergleichen: Die Soldaten sind die Bauern; sie stehen zwar in der ersten Reihe, aber ihre Handlungsspielräume sind äußerst gering. Die einzige Aufgabe, die sie haben, ist das Schützen und das Verteidigen der kostbaren Spielfiguren, die hinter ihnen stehen und ihnen Anweisungen geben.
Und von denen ist doch keiner an einer friedlichen Lösung interessiert. Jede Interessengemeinschaft spielt hier ihr eigenes Spiel. Für die Waffenindustrie zum Beispiel muss Afghanistan doch wie ein riesiger Spielplatz für Erwachsene sein. Was kann man hier herrlich Waffen und Militärfahrzeuge ungestraft testen und vor allem teuer verkaufen. Hier geht es wie immer in erster Linie um Öl und andere Ressourcen und Bodenschätze, die man sich unbedingt sichern will.
Und ausgerechnet mich, dem so etwas durch den Kopf geht, haben sie nun eingeladen. Soll der Krömer mal kommen und Quatsch machen.
Jetzt sitze also ich hier in diesem kleinen Raum in Kabul, der Saal ist immer noch leer, und gleich mache ich den Hampelmann.
Das passt alles nicht zusammen, denke ich mir. So wird Humor mit Naivität, Dümmlichkeit und Verdrängertum gleichgesetzt.
Nehmen Sie die Herrschaften mal an die Hand und sorgen Sie dafür, dass die zwei Stunden lang ihre Alltagsprobleme vergessen.
Wegen solch verkackter Absichten hat man mich übrigens noch nie auf irgendwelchen Clubschiffen, Weihnachtsfeiern oder Gala-Veranstaltungen auftreten sehen. Wir sind hier in einem Kriegsgebiet, und ich bin doch nicht Marlene Dietrich.
Es ist acht Uhr, der Auftritt beginnt. Ich habe für den heutigen Abend nichts Spezielles vorbereitet. Das mache ich sowieso nie. Ich spiele also mein Programm wie sonst auch. Ich merke, wie die Soldaten sich noch uneinig darüber sind, was sie von diesem Auftritt halten sollen. Irgendwann wird ihnen aber klar, dass ich nicht nur dastehe und abliefere, sondern sie selbst ständig Teil des Programmes sind und von mir, wie alle anderen Zuschauer in meiner Show in Deutschland auch, angepflaumt werden. Die größten Lacher entstehen, wenn ich nach oben trete und anwesende höhere Ränge durch den Kakao ziehe. Nach einer Stunde ist der Auftritt vorbei.
Peter Kümmel
Ein Soldat kommt zu spät. Er huscht in den vollbesetzten Saal und quetscht sich in die zweite Reihe. Krömer fragt: »Woran hat et jelegen? Ham Sie nicht gewusst, was Sie anziehen sollen? Ich geb Ihnen ’nen Tipp: ziehen Sie immer dasselbe an.«
Dies ist das homogenste Publikum seines Lebens. 60 Männer und eine einzige, schöne blonde Frau (das scheint eine Spezialität der deutschen Truppe zu sein: die schöne, von Männern umringte blonde Frau). Alle tragen Kampfanzug, die Wüstenvariante: sandfarbener Grund mit dunkler Befleckung. Auch wenn die Soldaten ausgehen, tun sie es im Kampfanzug.
Krömers erster Gag, betont verächtlich gesprochen: »Ich habe recherchiert, ich bin der erste Komiker, der hierherkommt, abgesehen von Guido Westerwelle.« Wolfsgelächter. Es ist hell im Saal, und Krömer sagt: »Normalerweise sehe ich nicht die Leute, für die ich spiele – ich weiß nicht, was besser ist, wenn ich euch so sehe.« Das ist Krömers Prinzip: Er beleidigt die anderen und tut dann so, als sei er beleidigt worden. Er ist unverschämt und spielt den Getroffenen.
Er ist nicht der subversive Clown, der an die Front geht und die Truppe unterwandert. Er spielt eher den Ignoranten, der nicht begreift, dass er Deutschland überhaupt verlassen hat. Er bewegt sich im Camp wie in einem östlichen Vorort von Berlin. Krömer spielt den hochfahrenden Deutschen, der soeben zurückwankt auf die militärische Weltbühne: er darf wieder bei den Großen mitmachen, aber er weiß nicht, worum es hier geht. Einige Szenen seiner Reise werden in Krömers Sendung gezeigt werden, und man wird sehen: Krömer führt nicht den daheimgebliebenen Deutschen die Soldaten vor, sondern er führt den Soldaten die daheimgebliebenen Deutschen vor.
Er fragt einen Oberfeldwebel: »Hast du was zu sagen?« »Nö.« »Dann hol mir mal ’n Bier.«
Brüllendes Lachen. Krömer weiß jetzt, was er schon geahnt hat: Hier führt der Weg zur Pointe über den Vorgesetzten.
Er spricht
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