Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
morgen früh sei der Weg zum Camp Warehouse aber definitiv frei. Mal gucken, ob die Sicherheitsstufe Grün oder Gelb sei.
Ich gehe zu Bett und schlafe sofort den Schlaf der Gerechten.
Camp Warehouse
Die Sicherheitslage ist etwas unentspannter als gestern. Wir haben nicht Stufe Grün, sondern Gelb. Gelb bedeutet, dass die Lage noch relativ entspannt, aber angespannter ist als gestern und ich nicht im Panzer vorne mitfahren darf, sondern zurück in den Containerpanzer zu den anderen muss. Wir bekommen wieder Codewörter genannt, für den Fall der Fälle. Dann steigen wir ein, und es geht los. Wir bekommen jeder eine Flasche Wasser und dürfen Weste und Helm ablegen. Peter und ich bekommen Plätze, von denen aus wir auf die Straße gucken können.
Camp Warehouse liegt nicht mitten in Kabul, sondern außerhalb. Um das ganze Camp herum ist wieder ein dicker Wall aus Beton, Sand und Stahl zu sehen. Obendrauf Stacheldraht. Es erinnert irgendwie an die Berliner Mauer.
Die Sonne scheint, und es ist unglaublich heiß.
Vor dem Eingang stehen der Spieß der Kompanie, der Kommandeur der deutschen Soldaten in Camp Warehouse und eine äußerst gut aussehende junge Ärztin.
Ich mache direkt einen Termin, weil ich mich durch die Klimaanlage im Containerpanzer leicht verschnupft fühle. Er wird mir gewährt. Dann sagt man uns, wir könnten jederzeit zu den Franzosen zum Essen gehen.
Die einzelnen Häuser im Camp sind nach hessischen Dörfern benannt. Man hat Ortsschilder dafür gemalt und sie außen angebracht. Sie stechen als Farbkleckse aus dem Grau heraus. In aller Hässlichkeit steckt auch immer irgendwo etwas Schönes. Und das mit den Schildern ist zumindest schön gemeint.
Parkplatz im Camp Warehouse
Bevor wir essen gehen, treffen wir uns noch in der Kompanie und werden den anwesenden Soldaten vorgestellt. Ich lasse mich auf einen Stuhl fallen und schalte für ein paar Minuten meine Gedanken aus, während wir die ersten Instruktionen für Camp Warehouse bekommen. Kurz vor dem Ausschalten erschrecke ich mich noch. Ich habe das heutige Passwort vergessen. Aber ich beruhige mich schnell wieder, denn ich brauche es ja auch nicht mehr. Wir sind ja schließlich schon drin.
So schnell geht das mit der Routine. Am ersten Tag hätte ich es nie vergessen. Am zweiten ist man schon so drin, dass man die lauernde Gefahr nicht mehr ganz so drastisch sieht.
Eigentlich hatten wir erwartet, dass wir, egal, wo wir gerade sind, immer genauestens überwacht werden. Aber das hat bislang nicht stattgefunden. Die Presseleute scheinen uns zu vertrauen. Der Spieß hier heißt auch Mutter und ist geschätzte Anfang bis Mitte fünfzig.
Er berichtet, dass ab und an Künstler kommen und für die Soldaten auftreten. Aber die meisten würden in Mazar-e Sharif landen, auftreten und dann wieder zurück nach Hause fliegen. Dass sich Zivilisten freiwillig in die außerhalb liegenden Camps wie Camp Warehouse verirren, sei eine absolute Seltenheit.
Während er uns die Schlüssel für unsere Stuben aushändigt, schaue ich mich um. Die haben komische Abkürzungen bei der Bundeswehr, denke ich mir. Hier stehen Worte wie GeZi und KpFü. Man erklärt mir: GeZi ist »Geschäftszimmer«, und KpFü steht für »Kompanieführungsgruppe«.
Wir werden gefragt, was wir gerne drehen möchten, wir sind uns aber noch nicht ganz sicher. Tankred und ich verabreden uns zu einer kleinen Drehbesprechung, sobald wir unsere Stuben bezogen und gegessen haben. Was aber definitiv feststeht, ist: Wir wollen mit dem Militärpfarrer von Camp Warehouse drehen. Das wird uns auch sofort zugesagt. Wir erfahren, dass Camp Warehouse unter französischem Kommando steht und dass heute der Kommandeur der deutschen Streitkräfte in Kabul ebenfalls zu Besuch sei. Ich frage nach, um was für einen General es sich handelt, und höre, dass er gar kein General ist. Sondern ein Oberst. Ich hätte schwören können, dass General das Höchste ist, aber man lernt nie aus. Konkurrenzveranstaltung also! Man kennt so etwas ja von der FDP. Kinder, die früher viel gehänselt wurden, gehen irgendwann ins Management oder in die Politik, um allen anderen heimzuzahlen, was ihnen in Schule und Kindergarten angetan worden ist. Im Tierreich wären sie die Mitläufer am Rande des Rudels oder der Herde. Bei uns Menschen werden sie die Bestimmer und setzen Konkurrenzveranstaltungen an.
Ein paar Soldaten sind traurig. Der Oberst hat heute Abend – zur gleichen Zeit, zu der auch mein Auftritt
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