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Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Titel: Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Krömer
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Selbst wenn gerade Mohnernte ist und die Bauern müde sind. In der Schule haben wir uns früher zum Rauchen in die Ecke verzogen, damit die Lehrer uns nicht sehen. Hier stellen wir uns um die Ecke, um nicht von einer Kugel getroffen zu werden. Schön, erwachsen zu sein. Ich ziehe den Rauch tief ein und stelle mir vor, jemand hätte mir ein Loch durch die Brust in die Lunge geschossen. Und der Rauch kommt dann da raus. Aber würde man den überhaupt sehen? Oder nur Blut? Ich will da eigentlich besser nicht dran denken.

    Ein ankommender Soldat weist mich darauf hin, dass wir im Anschluss an die Raucherpause noch in die Wolfshöhle müssen, wegen des Soundchecks für heute Abend. Ich bin einigermaßen verstört. Was denn bitte die Wolfshöhle sei, will ich wissen. Das wäre so eine Art Freizeitgelände mit Bar und Tresen und Sitzgelegenheiten für alle Soldaten. Mich wundert der Name. Wolfshöhle erinnert mich doch stark an Wolfsschanze, und das erinnert mich irgendwie an Hitler. Ich frage nach, ob sie den Namen nicht irgendwie komisch fänden, aber man sagt mir, dass das ein ganz gängiger Name für solche Veranstaltungsorte sei. Rassismus bei der Bundeswehr? Ist mir bis jetzt noch nicht begegnet. Liegt vielleicht auch an meinem Team, an den Kameras, an dem Journalisten der ZEIT.

    Der Soldat neben mir heißt Thorsten und ist Feldwebel. Auf seiner Jacke steht nur sein Nachname. Seinen Dienstgrad weiß ich, weil ich inzwischen weiß, dass der Haken das Zeichen für Feldwebel ist. Zwei Haken sind Oberfeldwebel. Und dann kommt Hauptfeldwebel, dann Stabsfeldwebel und dann Oberstabsfeldwebel. Bis man im Ernstfall das Wort ausgesprochen hat, ist man doch längst erschossen. Achtung, Herr Oberstabsfeld … PENG!
    Deswegen kürzen die Soldaten wohl auch ziemlich viel ab. Sie sagen zum Hauptfeldwebel einfach Hauptfeld. Und wenn er eine gelbe Kordel trägt, geht es noch schneller. Dann sagen sie Spieß. Oder Mutter . Es gibt da allerdings keine festen Regeln, denn zum Feldwebel sagen sie zum Beispiel nicht Feld.

    Zur Wolfshöhle muss man dann wieder einmal über das komplette Camp-Gelände. Ich habe überhaupt keine Ahnung mehr, wo ich genau bin. Erst als Pino seinen Laptop geholt hat, bemerke ich, dass die Wolfshöhle direkt an der Kompanie liegt.
    Die Wolfshöhle ist ganz und gar nicht so, wie man sich irgendetwas vorstellt, das Wolfshöhle heißt. Sie sieht eher aus wie eine Art Mallorca-Bar in Afghanistan. Anstatt Schnapswerbung an den Seiten gibt es Tarnnetze.
    Im Außengelände der Wolfshöhle steht die Bühne.
    Ein paar Soldaten stellen bereits Stühle auf. Man rechnet mit ungefähr hundertfünfzig Zuschauern heute Abend. Es könnten eigentlich hundertsiebzig sein, aber der feine Herr Oberst hat ja zur Gegenveranstaltung geladen.
    Die Bühne ist an den Seiten und hinten mit Tarnnetzen ausgekleidet. Auf ihr stehen ein Stuhl und ein Tisch. Alles, was ich für mein Programm brauche.

    Auftritt in der »Wolfshöhle«

    Ob man jetzt in Camp Warehouse (vor hundertfünfzig Leuten) auftritt oder in Berlin (vor tausendfünfhundert), ist insofern ein Unterschied, dass man in Berlin ein Dach über dem Kopf hat und kein Tarnzelt. Man hat auch weniger Sand zwischen den Zähnen, weil es in den meisten Veranstaltungsräumen und Theatern in Deutschland keine aufziehenden Sandstürme gibt. Generell ist der Frauenanteil bei zivilen Auftritten größer, und die Leute sind eher leger gekleidet. Ich hatte, glaube ich, noch nie zuvor einen Uniformierten im Publikum, außer vielleicht die obligatorischen Feuerwehrleute, die mein unvermeidliches Rauchverhalten überwachen und sich ansonsten gratis amüsieren. Denn ein weiterer Unterschied ist, dass die Zuschauer in Berlin Geld bezahlt haben, um die Show zu sehen. Hier musste keiner bezahlen. Dieser Unterschied wirkt sich insofern aus, als dass die Leute, wenn sie als zahlende Zivilisten zu mir kommen, viel angespitzter sind zu lachen als hier in Afghanistan. Hier hatten sich zwar ein paar Soldaten gewünscht, dass der Krömer mal auftreten soll, aber viele kennen mich überhaupt nicht.
    Na, wenn heute sonst nix los ist außer Playstation spielen, dann gucken wir uns den halt mal an.

    Was ich sagen will: Hier in Camp Warehouse muss man sich die Lacher wie damals zu meinen Anfängen erarbeiten. Mir kommt das absurd vor. So, als wenn meine Karriere in Deutschland den Bach runtergegangen wäre und ich jetzt fernab der Heimat einen Neustart versuche. Ist doch scheißegal, ob ich hier Boden erobere

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