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Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Titel: Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Krömer
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Geschütze zu Füßen des Hindukusch, es ist ein Motiv von großer Traurigkeit: als sei hier ein Feldzug der eigenen Erschöpfung erlegen. Von hier aus soll demnächst der Rückzug der westlichen Truppen aus Afghanistan beginnen, und das einzig Seltsame ist, dass die Amerikaner gerade dabei sind, das Lager auf die doppelte Größe auszubauen: sie klappen es sozusagen an seinem westlichen Ende zur Wüste hin auf.
Der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat kürzlich über den Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan gesagt, es sei leichter, einen Baum hinauf- als hinunterzuklettern, und was er gemeint hat, ahnt man, wenn man mit den Soldaten in Camp Marmal ins Gespräch kommt.
Man hört viele Geschichten, wie man sie eher auf einem orientalischen Basar erwartet: Man hört, dass die Waffen der Bundeswehr, die von hier aus zu den südlichen Stellungen transportiert werden, nicht etwa von Bundeswehrsoldaten gefahren werden, sondern von afghanischen Truckern, welche an die maßgeblichen Stammesfürsten der Taliban Wegzoll entrichten. Man hört, wie in den Lagern die privaten Dienstleister, die Sicherheitsfirmen, Catering-Firmen, Müllfirmen, Abwasserfirmen ihre Geschäfte machen; dass es darum gehe, hier noch möglichst viel Geld rauszuholen. Lauter verrückte, surreale Kleinstädte seien diese Lager, die mit Essen, Hygiene, Strom, Wasser versorgt werden müssen, bei 45 Grad im Sommer und bis zu -10 Grad im Winter.

Wieder in Mazar-e Sharif
    Wir steigen in Mazar-e Sharif aus der Transall. Die Transporte über Land in den Transportfahrzeugen haben sich erledigt. In Mazar-e Sharif liegt der Flugplatz mitten im Camp. Oberleutnant Kerstin begrüßt uns, als hätten wir uns jahrelang nicht gesehen. Peter begrüßt seine Jacke, als hätte er sie jahrzehntelang nicht gesehen. Oberleutnant Kerstin bringt uns in unsere Containerquartiere.
    In unserem kleinen Stab herrscht Unruhe. Die BILD hat von meiner Anwesenheit in Afghanistan Wind bekommen und möchte einen Bericht auf die Titelseite bringen. Ich will auf gar keinen Fall einen martialischen Kriegsbericht dort lesen. Kurt Krömer in voller Soldatenmontur, mit Victory-Zeichen auf einem Panzer stehend und am besten noch mit einer Pistole in die Luft schießend. Nein!
    Damit sie Ruhe geben, schicke ich ihnen folgendes Foto: Kurt Krömer von der Seite, wie er sich mit einem Soldaten, den man nur von hinten sieht, unterhält. Dieses Foto hätte ich auch zu Hause auf dem Hinterhof machen können. Das hat sich dann wohl auch die BILD gedacht. Es wurde von ihnen nichts über diese Reise gebracht. Sollen doch andere den Krieg hier für Promotion nutzen.

    Foto, das an die BILD-Zeitung ging

    Heute findet in Mazar-e Sharif mein letzter Auftritt statt. Ich gehe schon mal zum Auftrittsort. Sieht alles wie ein einziger großer Marktplatz aus. So ein Marktplatz wie in einem Kurort wie Bad Pyrmont, nur dass hier alles um fünfundneunzig Prozent spärlicher ist. Es gibt hier zwei Attraktionen: eine Mensa mit Essensausgabe und auf der anderen Seite ein Tante-Emma-Laden mit Waren für den täglichen Bedarf.
    Aber für mich ist es mein größter Auftrittsort in Afghanistan, hier werden die meisten Zuschauer hinkommen. Platz hätten sechshundertfünfzig Personen. Augenblicklich sitzen hier gerade mal sieben. Wieder muss ich an die Scheinbar -Zeiten denken. Tankred sagt mir noch, dass gerade das Eröffnungsspiel der EM im Fernsehen läuft. Na super! Wieder eine Gegenveranstaltung, denke ich. Vielleicht bleiben ja die sieben Soldaten wenigstens sitzen, dann sieht es nachher nicht ganz so ärmlich aus. Aber das Spiel stellt sich dann wohl doch als langweilig heraus. Punkt acht, zum Beginn meines Auftrittes, ist der Marktplatz gerappelt voll.

    Letzter Auftritt in Mazar-e Sharif

    In meinem alten Programm Der Nackte Wahnsinn hatte ich eine Nummer, in der ich jeden Abend eine Frau aus dem Publikum gebeten habe, auf meinem Schoß Platz zu nehmen, um sie dann wüst anzubaggern.
    Heute Abend spiele ich vor Hunderten von Soldaten, achtundneunzig Prozent davon sind männlich. Bei dieser Nummer habe ich heute ein Problem, erzähle ich den Soldaten. Ein äußerst kräftiger Soldat kommt auf die Bühne und setzt sich ungefragt auf meinen Schoß. Bist du schwul, frage ich ihn. Ja, antwortet er ganz selbstverständlich, und ich möchte mit dir schlafen.
    Wenn sich homophobe Menschen lustig über Schwule machen, ist ihr Tonfall garantiert anders als der des Soldaten auf meinem Schoß. Und wenn

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