Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
schwulenfeindliches Publikum über Diskriminierung lacht, hört sich das auch anders an als das Gelächter in diesem Moment. Ich bin mir nicht sicher, ob Madame auf meinem Schoß wirklich schwul ist, ist auch egal, das war auf jeden Fall gut gekontert.
Das Thema Homosexualität bei der Armee hatten wir schon am ersten Abend angesprochen. Einfach auch, um zu testen, wie weit oder wie groß die Aussagebereitschaft uns gegenüber ist. Es gäbe schon einige Personen in führender Position, die ganz offen Bilder von sich und ihren Lebensgefährten auf dem Schreibtisch stehen hätten, sagte man uns.
Also mehr Outing als in der Bundesliga. Nächstes Vorurteil: Kaum Frauen bei der Bundeswehr. Aber: Die Frauenquote liegt momentan bei zehn Prozent. Und das Ziel ist es, sagte man uns, den Anteil der Frauen bei der Bundeswehr noch zu steigern. Die Aussagen klangen ehrlich. Also doch nicht in jeder Beziehung altbacken, dachte ich mir.
Ich spiele ungefähr eine Stunde, gebe im Anschluss noch ungefähr zwei Stunden lang Autogramme und verabschiede mich erst, als sichergestellt ist, dass alle ihr Foto bekommen haben.
Peter Kümmel
In Camp Marmal gibt es einen schönen Innenhof, die Arena; in ihr spielt Krömer am letzten Abend. Nun sind etwa 600 Soldaten da, und dieser Auftritt funktioniert am besten. Es ist eine herrliche Nacht, am Himmel zieht eine Transall in die Höhe, das Atrium ist mit bunten Glühbirnen geschmückt wie für ein Betriebsfest, und Afghanistan ist, zugegeben, weit weg. Wir haben es auf unserer Reise gar nicht berührt.
Bojcan lässt noch einmal sein anderes Ich, den Krömer, auf die Soldaten los, zeigt ihn als gewieften Überlebenden des preußischen Obrigkeitsstaates: Hier ist der selbstgerechte, immerzu einschnappende Deutsche, der austeilt, aber nicht einstecken kann. Krömer nimmt den Kameraden ein wenig von ihrem Heimweh, indem er ihnen zeigt, was daheim (auch) auf sie wartet.
Da kommt der Vorgeschickte. Ein junger Soldat, der uns mit hochrotem Kopf verkündet, wir seien eingeladen, uns werde in Kürze ein Bus geschickt, der uns dann alle zum Treffpunkt bringen wird.
Zwangseinladung, oder was?, frage ich mich. Aber da die Möglichkeit, nach dem Auftritt noch irgendwo irgendetwas zu machen, gen null tendiert, stimme ich dem ominösen Treffen zu.
Die Entführung
Der Rost ist in einer Farbmischung zwischen Olivgrün und Rostbraun überstrichen worden, sodass man das Alter des Fahrzeugs lediglich an der Form der Karosse schätzen kann. Sagen wir mal so, Konrad Adenauer hätte seinem Stapellauf persönlich beiwohnen können.
Auch wenn wir bislang mit Afghanen nicht direkt überkonfrontiert worden sind, so gleicht der Fahrer dieses Defizit mehr als aus. Der Busfahrer ist Mitte dreißig bis Anfang siebzig. Sein Bart ist lang und grau. Seine Augen sind dunkelbraun und er lächelt. Als wir in den Bus einsteigen, begrüßen wir ihn freundlich auf Arabisch und bekommen keine Reaktion. Dann versuchen wir es auf Englisch.
Auf mein erneut freundlich eingebrachtes Salam Aleikum reagieren alle unterschiedlich. Pino schaut mich verblüfft an, Kleo scheint unangenehm berührt, Tankred hingegen sieht aus, als würde er gleich loslachen. Unser Fahrer murmelt etwas. Wir verstehen aber nicht was. Dann dreht er sich um und fährt los.
Hat man ihm schon gesagt, wo wir hinmüssen? Oder hinwollen? Wir sind uns unsicher. Wir versuchen es noch mal mit Englisch.
Hello Sir. We want to go there! Pino zeigt in die Richtung, aus der wir uns gerade entfernen, nicht schnell, mit ungefähr dreißig km/h. Man hatte uns vorhin gesagt, es ginge in ungefähr dreihundert Metern nach links. Dort wäre das Treffen. Wir fahren allerdings definitiv nach rechts. Der Fahrer interessiert sich nicht besonders für das, was wir zu sagen haben. Er geht völlig darin auf, seinen Bus zu fahren. Er fährt so: erster Gang, zweiter Gang, vierter Gang, Rückspiegel, zweiter Gang, vierter Gang. Der dritte Gang muss kaputt sein oder wird aus einem anderen Grund von ihm mit Missachtung gestraft. Das wäre eine Sache, die der dritte Gang und wir gemeinsam haben. Wir werden nicht beachtet.
Nous voulons y aller, versucht Kleo es auf Französisch.
Das verpufft aber genauso wie Tankreds Kauderwelsch-Spanisch.
Esta direccion! Derecha! Derecha!
Wieder einmal muss ich die Sache in die Hand nehmen, aber mein zweites Salam Aleikum verpufft wieder ungehört.
Ich fasse die Situation kurz zusammen:
Wir wollen zu einem Treffen. Falsch. Wir wissen doch noch gar
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