Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
sollte – ich doch sehr gerne meine Blutgruppe wüsste. Da hat sie ganz tief und geräuschvoll eingeatmet und einfach aufgelegt.
Kurze Zeit später klingelte mein Telefon. Meine Hausarztpraxis. Ich nahm ab, um die Entschuldigung entgegenzunehmen, die allerdings ausblieb. Stattdessen erfolgte ein längerer Anschiss. Man könne akzeptieren, dass ich als Komiker schon etwas anders sei als andere Patienten, aber die arme Sprechstundenhilfe mit dieser Gruselgeschichte von Afghanistan zu Tode zu erschrecken, dass würde ja wohl doch eine Spur zu weit gehen. Auf so einen Blödsinn würde doch kein normaler Mensch kommen, sagte mir mein Arzt.
Aus diesem Grund kenne ich meine Blutgruppe bis zum heutigen Tag nicht.
Jetzt ist der Bekordelte auch der Meinung, dass ich dringend meine Blutgruppe in Camp Warehouse bestimmen lassen sollte. Daraus wird aber nichts, weil mir wieder einfällt, dass die schöne Ärztin ja auch eine Einladung beim besagten Abend-Termin beim Mister-ich-mache-hier-einfach-mal-eine-Gegenveranstaltung-Oberst hat. Gut, denke ich mir, dann machen wir jetzt wie geplant weiter und drehen beim Pfarrer. Amen.
Grüß Gott, Herr Pfarrer
Uns ist bereits vor der Reise klar gewesen, dass wir nicht nach Afghanistan fliegen würden, um bei den ISAF-Truppen Witze mit Schlagworten wie Bombenstimmung oder jeder Gag ein Knaller zu machen . Das wäre billig und würde auf nichts hinauslaufen.
Jetzt steht der Dreh mit dem Pfarrer an. Der Militärpfarrer ist groß und insgesamt eine imposante Erscheinung. Er trägt ein Harley-Davidson-Armband. Aber er ist nicht etwa vom Rocker zum Pfarrer geworden. Irgendwie war er schon immer beides, sagt er, deswegen habe er auch Motorradgottesdienste organisiert. Davon hatte ich gehört. Der Herr Pfarrer hat auf seiner Schulter keine Punkte oder Zeichen, sondern ein Kreuz. Dieses Dienstzeichen gefällt mir persönlich bislang am besten. Sein Büro hebt sich schon alleine äußerlich von den anderen dadurch ab, dass seine Tür mit lauter kleinen Zetteln vollgeklebt ist. Auf dem größten steht, man solle die Seele einfach mal baumeln lassen. Der Herr Pfarrer hat eine tiefe, ruhige Stimme, und man mag ihn sofort. In seinem Raum ist es ungefähr ein halbes Grad kühler als draußen. Ich beginne direkt zu schwitzen – das kann ich an dieser Stelle eigentlich nicht schreiben, denn ich schwitze ja bereits den ganzen Tag aus allen Poren. Im Büro des Pfarrers stehen schwarze Ledersofas, es gibt einen Kühlschrank und einen richtigen Kaffeevollautomaten. Nur wenn man aus dem Fenster guckt, sieht man wieder Stahl, Beton und Stacheldraht. Ansonsten könnte sich dieser Raum auch überall sonst auf der Welt befinden. Er strahlt Normalität aus. Ich denke mir, dass es genau das ist, was die Soldaten suchen, wenn sie zu ihm kommen, um sich ihren Frust von der Seele zu reden.
Unser Ziel war es, mit so viel Videomaterial wie möglich zurück nach Hause zu fahren. Von meinem Kameramann, der, wie bereits erwähnt, schon einmal monatelang für die ARD in Afghanistan bei deutschen Soldaten gedreht hatte, erfuhr ich, dass sein Material damals von den militärischen Stellen täglich gesichtet und oft schon vor Ort gelöscht worden war. Darauf hatten wir uns eingestellt und sicherheitshalber mehrere Festplatten mitgenommen, auf die wir von Anfang an fleißig das soeben gedrehte Material überspielt haben. Fregattenkapitän Roland war bei all unseren Drehs dabei, machte aber nie den Eindruck, dass ihm irgendetwas missfiel. Wir wurden nicht zensiert, obwohl die Dreharbeiten auf viele Beteiligte äußerst grotesk gewirkt haben müssen. Nicht weil ich mich über die Soldaten lustig gemacht hätte, sondern weil ich einfach an deren militärischer Autorität gekratzt habe. Dieser ständige Druck, sich in jeder Situation an starre Regeln halten zu müssen, erinnert an das jahrhundertealte Zirkusschema Weißclown und dummer August. Mein ständiges Infragestellen vom Sinn militärischer Hierarchien oder Befehlsketten und die daraus entstehende Entlarvung dieser Albernheit wurden absolut gebilligt. Und somit haben die Soldaten mir unbeabsichtigt viel mehr über ihr System preisgegeben, als wenn ich sie, zum Beispiel, einfach nur schroff angegangen wäre.
Einzig beim Dreh mit dem Militärpfarrer kam vom Fregattenkapitän Roland die knappe Ansage: Treib es mal nicht zu bunt, Krömer! Gemeint war eine Szene, in der ich mit dem Pfarrer allein auf seine Stube verschwand und nach wenigen Minuten schallendes
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